D. Lenz
Der Alterungsprozess bei manchen Fledermausarten schreitet nur sehr langsam voran. Forscher finden nun heraus, warum dies so ist. Kann auch der Mensch davon profitieren?
Dublin (Irland). Der Traum vom ewigen Leben begleitet den Menschen seit Urzeiten. Um neue Erkenntnisse über den Alterungsprozess zu gewinnen, die möglicherweise auch das Leben von Menschen verlängern können, haben Wissenschaftler Tierarten die im Vergleich zu eng verwandten Spezies sehr alt werden untersucht. Neben den in Afrika lebenden Nacktmullen und den in Amerika beheimateten Sumpfschildkröten wurde auch bei einigen Fledermausarten entdeckt, dass erwachsene Tiere dieser Art nur sehr langsam altern.
Emma Teeling hat mit ihrem Team vom University College Dublin herausgefunden, dass Fledermäuse einen natürlichen Schutzmechanismus gegen das Altern im Erbgut tragen. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlicht. Bei sogenannten Telomere handelt es sich um Endkappen von Chromosomen, die zum Schutz vor Schäden vorhanden sind. Sie nutzen sich beim Zellteilungsprozess ab, bis sie schließlich aufgebraucht sind. Die Zelle kann sich dann nicht weiterteilen und stirbt als Folge dessen ab. Derselbe Prozess läuft bei Fledermäusen ab, im Vergleich zu Menschen jedoch sehr viel langsamer. Der aktuelle Stand der Wissenschaft geht zwar davon aus, dass Telomere den Alterungsprozess nicht direkt beeinflussen, es besteht aber trotzdem eine Korrelation zwischen langer Lebensdauer und ihrem Zustand.
Typischerweise steigt mit der Körpergröße bei Säugetieren auch deren Lebenserwartung. Hausmäuse mit rund 20 Gramm Körpergewicht werden maximal drei Jahre alt, Elefanten können bis zu siebzig Jahre alt werden und auch Menschenaffen und Wale werden oft sehr alt. Auch beim Nachwuchs gibt es solche Auffälligkeiten. Säugetiere die nur eine sehr kurze Lebenserwartung haben, bekommen meistens sehr häufig Nachwuchs, während beispielsweise bei Elefanten ein paar Jahre zwischen den Geburten liegen können.
Würden die Fledermausarten Große Mausohr (Myotis myotis) und Bechsteinfledermaus (M. bechsteinii) dieser biologischen Regel folgen, müsste also auch ihr Leben relativ kurz sein. Die Arten wiegen mit zehn beziehungsweise 30 Gramm etwa so viel wie eine Hausmaus, die maximal drei Jahre alt werden kann. Sie können jedoch trotzdem ein sehr hohes Alter erreichen. In Sibirien wurde dokumentiert, dass eine 7 Gramm schwere Große Bartfledermaus 42 Jahre alt wurde.
Die Forscher rund um Teeling haben 493 Fledermäuse verschiedenen Arten eingefangen, um die Gründe für den Alterungsprozess dieser Tiere herauszufinden. Sie entnahmen dazu winzige Gewebeproben aus den Flügeln der Tiere, aus denen sie die Chromosomen isolieren konnten. Die Enden der Chromosomen werden bei der Fledermaus aber auch beim Menschen durch die Telomere geschützt.
Bei Verletzungen verdoppeln sich die Chromosomen, die Telomere werden dabei minimal kürzer. Sébastian Puechmaille von der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald erklärte, dass "bei jeder Vermehrung diese Erbgutketten daher ein wenig kürzer werden." Nach mehreren Teilungsprozessen sind die Telomere nicht mehr ausreichend lang und "diese Zellen altern und sterben schließlich“.
In einer älteren Studie aus dem Jahr 2017 berichtete ein Team rund um Gerhard Kerth darüber, dass Bechsteinfledermäuse im hohen Alter kaum biologisch altern. Ihre Telemere sahen im Alter nahezu identisch aus wie bei ebenfalls untersuchten Jungtieren. Das ungewöhnlich hohe Alter einiger Fledermäuse lässt sich so erklären.
Der Grund dafür, dass die Telomere bei einigen Fledermausarten kaum kürzer werden, könnte ihre Telomerase sein. In Zellen die sich häufig teilen und deshalb eigentlich kurze Telomere haben müssten, können diese Enzyme die Telomere wieder verlängern. Leider helfen Telomerasen auch Krebszellen dabei sich zu vermehren. Sie können aus diesem Grund nicht als Anti-Aging-Produkt eingesetzt werden. Die Wissenschaft untersucht aktuell, aus welchem Grund Nacktmulle trotz aktiver Telomerase nicht an Krebs erkranken.
Bei den untersuchten Fledermäusen konnten die Wissenschaftler trotz ihrer enormen Langlebigkeit keine auffallende Telomerase-Aktivität finden. Puechmaille erklärte, dass "möglicherweise zwei Gene eine wichtige Rolle spielen, ATM und SETX." Die Gene bilden ebenfalls zwei Proteine, die dafür sorgen, dass die Telomere stabilisiert werden. Wie genau dieser Prozess abläuft ist bisher jedoch nicht bekannt und auch weshalb die Fledermäuse bei denen die Telomere kleiner werden, trotzdem sehr alt werden können.