Robert Klatt
Mikroplastik reduziert die Chlorophyllkonzentration im Photosynthesesystem und verlangsamt dadurch das Wachstum von Pflanzen und Algen. Dies stört die Nahrungsketten und führt zu deutlichen Ernteeinbußen bei Grundnahrungsmitteln wie Mais, Weizen und Reis.
Nanjing (China). Die Mikroplastikbelastung der Umwelt nimmt kontinuierlich zu. Laut unterschiedlichen Studien schaden die nur wenige Mikrometer großen Kunststoffpartikel der Gesundheit des Menschen, etwa indem sie das Risiko für Krebs und Unfruchtbarkeit erhöhen. Es existieren zudem Hinweise darauf, dass Mikroplastik die Photosynthese stört. Wie stark die Partikel das Wachstum von Pflanzen beeinträchtigen, war bisher aber nicht bekannt.
Forscher der Universität Nanjing haben deshalb die globale Beeinträchtigung der Photosynthese durch Mikroplastik analysiert. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin PNAS haben sie dazu 157 Studien ausgewertet, die Daten zu 3.286 photosynthesebetreibenden Organismen enthalten. Zudem haben sie die aktuelle Mikroplastikbelastung in unterschiedlichen Erdregionen erfasst und mit einer Künstlichen Intelligenz (KI) extrapoliert, wie diese Kontamination die Ökosysteme beeinflusst.
Laut der Metastudie reduziert Mikroplastik sowohl bei Landpflanzen als auch bei Algen in Süß- und Salzwasser die Chlorophyllkonzentration im Photosynthesesystem stark (- 11 bis 13 %). Die Pflanzen und Algen produzieren deshalb deutlich weniger Biomasse (- 7 bis 12 %) und wachsen langsamer. Dies beeinträchtigt nicht nur die Pflanzen, sondern ihre gesamten Ökosysteme. In den Meeren sind etwa Krebse, Muscheln und viele Fischarten auf Algen angewiesen, weil diese die Grundlage der Nahrungsketten bilden. Es kommt dadurch bei marinen Lebewesen bereits zu erheblichen Verlusten (- 7 %).
„Dies senkt die Produktion von Nahrungsmitteln aus dem Meer um geschätzt 1,05 bis 24,33 Millionen Tonnen pro Jahr.“
Außerdem sinkt die Produktion von Grundnahrungsmitteln wie Reis, Weizen und Mais (- 4 bis 14 %) durch die reduzierte Photosyntheleistung und das langsamere Wachstum der Pflanzen.
„Diese Verringerung verursacht einen geschätzten Ernteverlust von jährlich 360,8 Millionen Tonnen.“
In Europa liegen die Einbußen der Landwirtschaft durch Mikroplastik bei 17 bis 57 Tonnen pro Jahr, von denen 11,2 bis 36,8 Millionen Tonnen auf Weizen entfallen. Die Ernteverluste durch Mikroplastik bedrohen laut den Wissenschaftlern somit bereits die globale Ernährungssicherheit.
„Wichtig ist, dass diese negativen Effekte sich über die Nahrungssicherheit hinaus auch auf die Gesundheit des Planeten ausweiten können. Denn die Photosynthese und dadurch die Primärproduktion bilden die Grundlage nicht nur für unsere Nahrungsversorgung, sondern auch für ökologische Schlüsselfunktionen.“
Angesichts der großen Auswirkungen sprechen sich die Forscher für eine dringende Reduzierung der zunehmenden Plastikverschmutzung aus. Laut ihnen können schon kleine Maßnahmen die globale Plastikverschmutzung stark reduzieren (- 13 %) und die Erträge der photosynthesebetreibenden Organismen wieder erhöhen. Die Ernteverluste würden dadurch merklich sinken (- 30 %).
„Diese Erkenntnisse unterstreichen, wie dringend es ist, die Eindämmung von Plastik in globale Initiativen zur Bekämpfung des Hungers und zur Nachhaltigkeit zu integrieren.“
Laut den Forschern ist es noch unklar, wieso Mikroplastik die Chlorophyllkonzentration der photosynthesebetreibenden Organismen reduziert. Die Forscher gehen jedoch davon aus, dass das Gleichgewicht des Wachstums- und Abwehrstoffwechsels gestört wird.
„Der Rückgang der Maisproduktion nach Mikroplastikexposition könnte auf die Bildung von Flavonoiden zurückgeführt werden, die Mikroplastik-induzierte reaktive Sauerstoffspezies abfangen. Dies bringt den Kompromiss zwischen Wachstums- und Abwehrstoffwechsel aus dem Gleichgewicht, was zu einer Verringerung des Maiswachstums führt.“
PNAS, doi: 10.1073/pnas.2423957122