Gangtoucunia aspera

Nesseltier löst Rätsel der Evolution

Robert Klatt

Nesseltier Gangtoucunia aspera )gnaW gnodoaiX(Foto: © 

Versteinerte Weichteile des 514 Millionen Jahre alten Meerestieres Gangtoucunia aspera lösen ein Rätsel um die Evolution der ersten skelettbildenden Lebewesen.

Oxford (England). Die ersten Lebewesen mit harten Skeletten tauchten auf der Erde vor etwa 550 bis 520 Millionen Jahren auf. Ein Großteil der Fossilien aus dieser Zeit kann heute aber nicht mehr eindeutig bestimmt werden, weil nur hohle, kurzen Röhren konserviert wurden. Um das Aussehen der damals lebenden Tiere und ihre evolutionäre Beziehung zu den heute lebenden Arten untersuchen zu können, ist die Wissenschaft deshalb auf versteinerte Weichteile angewiesen.

Laut einer Mitteilung der University of Oxford haben nun Forscher um Guangxu Zhang von der Yunnan-Universität im chinesischen Kunming Weichteile des Tieres Gangtoucunia aspera entdeckt. Die Fossilien des Röhren-Tieres sind laut einer Publikation im Fachmagazin Proceedings of the Royal Society B Biological Sciences etwa 514 Millionen Jahre alt und außergewöhnlich gut erhalten. Dank der sauerstoffarmen Bedingungen des Fundorts sind auch der Darm und die Mundwerkzeuge vorhanden. Unter Normalbedingungen werden diese Weichteile vor ihre Konservierung von Bakterien zersetzt.

Röhrenförmige Fossilien zuvor falsch interpretiert

Zuvor entdeckte röhrenförmigen Fossilien von Gangtoucunia wurden als Wohnröhre eines im Meer lebenden Wurms interpretiert. Die nun entdeckten Weichteile widersprechen dieser Annahme laut Zhang aber.

„Als ich das erste Mal das rosa Weichgewebe oben auf einer Gangtoucunia-Röhre entdeckte, war ich überrascht. Im folgenden Monat fand ich drei weitere Exemplare mit erhaltenem Weichgewebe, was mich dazu brachte, die Verwandtschaft von Gangtoucunia zu überdenken.“

Primitiver Vorfahre der Quallen

Laut den neuen Erkenntnissen handelte es sich bei Gangtoucunia aspera jedoch nicht um einen Wurm, sondern ein Nesseltier. Nesseltiere sind einfache Vorfahren der heute lebenden Quallen. Darauf sprechen sowohl die glatten, unverzweigten Tentakel um den Mund des Tieres als auch der große, in mehrere Teile untergliederte Darm. Diese Segmentierung der Verdauungsorgane kommt bei Würmern nicht vor.

Fossiles Exemplar von Gangtoucunia aspera (links) und erhaltenen Weichteile (rechts)
Fossiles Exemplar von Gangtoucunia aspera (links) und erhaltenen Weichteile (rechts) )gnahZ uxgnauG dnu yrraP ekuL(Foto: ©

Die Forscher um Zhang identifizierten Gangtoucunia aspera deshalb als Polypen mit einer skelettartigen Struktur, die das Tier am Meeresboden verankerte. Die Tentakel konnten vermutlich aus der Röhre herausragen und so kleine Beutetiere fangen. Überdies halten es die Wissenschaftler für wahrscheinlich, dass das Nesseltier seine Tentakel bei Gefahr komplett einziehen konnte, um sich zu schützen. Die Röhre von Gangtoucunia aspera bestand komplett aus Kalziumphosphat, also dem Material, aus dem auch die Zähne und Knochen des Menschen bestehen.

Lösung für evolutionäres Rätsel

Die Klassifizierung von Gangtoucunia aspera als Nesseltier und nicht als Wurm löst ein Rätsel um die Evolution der fossilen Röhren, erklärt Luke Perry.

„Diese geheimnisvollen Röhren werden oft in Gruppen von hunderten Individuen gefunden, aber bis jetzt hatten wir keine Möglichkeit, sie zu klassifizieren. Dank dieser außergewöhnlichen neuen Exemplare ist ein wichtiges Teil des evolutionären Puzzles an seinen Platz gesetzt worden.“

Proceedings of the Royal Society B Biological Sciences, doi: 10.1098/rspb.2022.1623

Spannend & Interessant
VGWortpixel