Robert Klatt
Oktopusse können ihre acht Arme und hunderten Saugnäpfe präzise kontrollieren, weil sie ein komplexes Nervensystem besitzen, das aus mehr Nervenzellen als das Gehirn besteht.
Chicago (U.S.A.). Oktopusse sind vor allem für ihre acht sehr beweglichen Arme bekannt. Forscher der University of Chicago (UChicago) haben im Fachmagazin Nature Communications nun eine Studie publiziert, laut der die Fische die komplexen Bewegungen ihrer Arme steuern können, weil ihr Nervensystem in den Extremitäten in einzelne Segmente unterteilt ist. Diese Segmente steuern jeweils mehrere Muskeln und ermögliche dadurch eine genaue Kontrolle der acht Arme und der hunderten Saugnäpfe. Das Nervensystem der Arme besteht demnach aus mehr Nervenzellen als das Gehirn der Oktopusse.
Um das Nervensystem der Tiere zu analysieren, haben die Forscher die Arme der Kalifornischen Zweipunktkrake (Octopus bimaculoides) untersucht. Demnach sind die Nervenzellen in den Armen sind einem großen Strang, der in viele kleine Segmente unterteilt ist, angeordnet. Von den einzelnen Segmenten gehen Nerven und Blutgefäße zu den Muskeln ab. Die Nerven der Segmente sind mit unterschiedlichen Muskelregionen verknüpft, damit die Segmente bei komplexen Bewegungen interagieren können.
„Wenn man die Sache aus der Perspektive der Modellierung betrachtet, ist der beste Weg, ein Steuersystem für diesen sehr langen, flexiblen Arm einzurichten, ihn in Segmente zu unterteilen. Es muss eine Art von Kommunikation zwischen den Segmenten geben, die die Bewegungen glätten.“
Nervensystem bildet „Karte“ der Saugnäpfe
Die Untersuchung von Octopus bimaculoides zeigt, dass die Nerven der Saugnäpfe zwischen den einzelnen Teilen des Nervenstrangs austreten und mit dem äußeren Rand verbunden sind. Laut den Forschern ist dies ein Hinweis darauf, dass das Nervensystem eine „Karte“ der Saugnäpfe bildet. Dies ermöglicht es den Tieren, ihre Saugnäpfe unabhängig voneinander zu kontrollieren. Außerdem haben die Wissenschaftler entdeckt, dass die Saugnäpfe Sinnesrezeptoren besitzen, mit denen Oktopusse schmecken können. Die Saugnäpfe sind also eine Kombination aus Hand und Zunge.
Die Forscher haben zudem untersucht, ob auch andere Kopffüßer (Cephalopoden) ein ähnliches Nervensystem besitzen. Sie haben dazu einen Kalmar (Doryteuthis pealeii) untersucht, der zwei lange Fangarme und acht kurte Arme besitzt. An beiden Fangarmen befindet sich ebenfalls Saugnäpfe. Die Untersuchung von Doryteuthis pealeii zeigt, dass das Nervensystem an den Fangarmen ebenfalls in Segmente unterteilt ist, jedoch nur an den Enden, an denen sich die Saugnäpfe befinden.
Die Unterschiede im Nervensystem zwischen Kalmaren und Oktopussen geht sehr wahrscheinlich auf ihre Lebensweisen zurück. Kalmare jagen ihre Beute im offenen Wasser und Oktopusse durchsuchen mit ihren komplexeren Armen den Meeresboden. Das Nervensystem der Oktopusse hat sich demnach entwickelt, um die Kontrolle über die Arme und Saugnäpfe bei der Nahrungssuche zu ermöglichen.
„Verschiedene Kopffüßer haben eine segmentale Struktur entwickelt, die je nach den Anforderungen ihrer Umwelt und dem Druck von Hunderten Millionen Jahren der Evolution variieren.“
Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-024-55475-5