Robert Klatt
Im Meer leben kaum Insekten, obwohl sie wie Krebstiere zur Familie der Pancrustacea gehören. Forscher haben nun eine Theorie entwickelt, die den Grund dafür erklärt.
Tokio (Japan). Die Biologie geht davon aus, dass Insekten den größten Teil der Biomasse aller Landtiere ausmachen. Wie eine Studie der Universität Würzburg kürzlich zeigte, leben beispielsweise 2,5 Millionen Ameisen pro Mensch auf der Erde. . Trotz ihrer Häufigkeit an Land ist ihre Präsenz in den Meeren jedoch verblüffend gering. Nur eine verschwindend geringe Anzahl von Insekten nutzt das Meer als Lebensraum, obwohl ihre biologischen Vorfahren aus den Ozeanen stammen.
Forscher der Tokyo Metropolitan University haben nun eine Theorie aufgestellt, die auf Basis von evolutionsgenetischen Untersuchungen erklärt, wieso so wenige Insekten in den Meeren leben. Wie die fortschrittliche Molekularphylogenetik zeigt, gehören sowohl Krebstiere als auch Insekten zur gleichen Familie, den Pancrustacea. Insekten sind lediglich eine Abzweigung, die das Meer verließ und sich dem Land anpasste. Ein gemeinsames Merkmal dieser Gruppe ist ein Exoskelett, bestehend aus einer Wachsschicht und einer harten Kutikula.
In früheren Arbeiten hat dasselbe Forscherteam nachgewiesen, dass Insekten beim Übergang zur terrestrischen Lebensweise ein spezielles Gen entwickelt haben, welches ein Enzym namens Multicopper Oxidase-2 (MCO2) produziert. Dieses Enzym hilft ihnen, ihre Kutikula durch Sauerstoffeinwirkung zu härten. MCO2 katalysiert eine Reaktion, bei der molekulare Sauerstoffverbindungen, sogenannte Catecholamine, in der Kutikula oxidiert, wodurch sie zu Stoffen werden, die die Oberfläche binden und verhärten.
Im Gegensatz dazu nutzen Krebstiere Kalzium aus dem Meerwasser, um ihre Kutikula zu härten. Die Forscher gehen laut ihrer Publikation im Fachmagazin Physiological Entomology davon aus, dass das Vorhandensein von Sauerstoff das Leben an Land für Insekten deutlich angenehmer macht. Das Meer stellt nun durch den Mangel an Sauerstoff und die Fülle an besser angepassten Organismen eine feindliche Umgebung dar.
Aber es ist nicht nur so, dass das Meer für Insekten nicht mehr so gastfreundlich ist. Die Verhärtung und Trocknung der Kutikula durch den MCO2-Weg führt zu einem Biomaterial, das nicht nur schützend, sondern auch leicht ist. Die Forscher nehmen an, dass dies der Grund sein könnte, warum Insekten die Fähigkeit entwickelten, Pflanzen zu erklimmen, zu gleiten und schließlich zu fliegen. Diese Anpassungen ermöglichten es ihnen, zu wandern und bisher unbesetzte Nischen im Ökosystem zu bevölkern, was eine starke Triebkraft für ihre beeindruckende Vielfalt wurde. Im Gegensatz dazu sind die Schalen von Krebstieren erheblich dichter, wobei eine starke Korrelation zwischen Dichte und Grad der Verkalkung besteht.
Natürlich sind Insekten bei Weitem nicht die einzigen Gliederfüßer, die sich dem Land angepasst haben, daher ist klar, dass MCO2 nicht unbedingt für den Erfolg in terrestrischen Nischen notwendig ist. Dennoch lässt die Beschaffenheit der Insektenkutikula Rückschlüsse auf ihren Erfolg im terrestrischen Umfeld zu. Tatsächlich sind die Wissenschaftler der Ansicht, dass MCO2 ein prägendes Merkmal der Insekten sein könnte. Ihre Arbeit verspricht, völlig neue Aspekte hinsichtlich der Rolle, die die Verhärtung der Kutikula in der Insektenevolution und der Landanpassung spielen könnte, zu beleuchten.
Physiological Entomology, doi: 10.1111/phen.12406