Robert Klatt
Ein in der Nähe von Darmstadt gefundenes 47,5 Millionen Jahre altes Fossil belegt, dass Pythons auf dem nördlichen Kontinent Laurasia entstanden.
Messel (Deutschland). Anakondas, Pythons und Boas leben heute fast ausschließlich in den Tropen und anderen warmen Regionen. Ausgrabungen belegen aber, dass vor 15 bis 20 Millionen Jahren auch im heutigen Deutschland Riesenschlangen vorkamen. Die Biologie stellt sich daher schon lange die Frage, aus welcher Region der Erde Riesenschlangen tatsächlich stammen.
Bisher ging die Wissenschaft auf Basis von Genvergleichen davon aus, dass sich die Vorfahren der Pythons und Boas vor etwa 40 Millionen Jahren trennten und sich dann separat weiterentwickelten. Wo diese Trennung geschehen sein soll und wo sich die beiden Linien danach weiterentwickelten ist aber unklar. Für diese Theorie sprach auch, dass Boas überwiegend in der Neuen Welt vorkommen und Pythons hauptsächlich in Australien, Afrika und Asien leben.
Eine Entdeckung von Wissenschaftlern des Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt weckt nun Zweifel an dieser Theorie. Das Team um Krister Smith hat laut einer Publikation im Fachmagazin Biology Letters bereits Anfang 2020 ein Fossil einer 47 Millionen Jahre alten Boa in der Grube Messel (Nähe Darmstadt) gefunden.
Es handelt sich dabei um den ältesten Fund einer Riesenschlange weltweit. Getauft wurde die Spezies auf den Namen Messelopython freyi. Die Wissenschaftler konstatieren daher, dass „die Entdeckung belegt, dass die Pythonschlangen schon im Paläogen in Europa präsent waren.“
Wäre die bisher von vielen Paläontologen für richtig gehaltene Theorie, dass Pythons ihren Ursprung auf dem Südkontinent Gondwana hatten korrekt, dürfte ein solches Fossil aber nur im heutigen Amerika zu finden sein. Es scheint daher zu stimmen, dass Pythons auf dem nördlichen Kontinent Laurasia entstanden, also der Landmasse, aus der später der Kontinent Europa entstand.
Krister Smith: „Das hat einen bedeutenden Einfluss auf unsere Sicht der evolutionären Geografie dieser Tiergruppe. Denn ohne diesen Fund wäre die Stammeslinie der Pythonschlangen fest in Gondwana verankert. Messelopython freyi jedoch verlegt die Wurzeln der Pythons nach Laurasia und widerlegt die Gondwana-Theorie.“
Außerdem widerlegt der Schlangenfund die räumlich getrennte Entwicklung von Boas und Pythons. Laut Smith „lebten in Messel sowohl Messelopython freyi, als auch ursprüngliche Boas, wie Eoconstrictor fischeri, in einem Ökosystem.“ Diese Entdeckung ist wie Smith erklärt „angesichts der heutigen Verbreitung dieser Schlangen vollkommen unerwartet.“
Unklar bleibt weiterhin, wieso sich bei vor 47 Millionen Jahren zusammenlebenden Linien später radikal trennten. Laut Smith „muss die These überdacht werden, dass die beiden Schlangenfamilien konkurrieren und sich daher keinen Lebensraum teilen können.“ Auch eine aufgrund der Plattentektonik erzwungene räumliche Trennung erscheint aufgrund des einstigen engen Zusammenlebens sehr unwahrscheinlich.
Biology Letters, doi: 10.1098/rsbl.2020.0735