Orca-Angriffe

Wissenschaft untersucht Zunahme von Orca-Angriffen auf Segelboote

Dennis L.

Seit 2020 häufen sich unerklärliche Angriffe von Orcas auf Segelboote, die Wissenschaftler und Ingenieure gleichermaßen vor neue Herausforderungen stellen. Was motiviert die Tiere zu diesem Verhalten? Mögliche Erklärungen reichen von spielerischem Verhalten bis hin zu traumatischen Erlebnissen. Gleichzeitig arbeiten Forscher an technologischen Lösungen, um Boote vor den Angriffen zu schützen. Neue Studien geben spannende Einblicke in das Verhalten und die sozialen Strukturen dieser faszinierenden Meeressäuger. )kcotS ebodAPKR(Foto: © 
Auf den Punkt gebracht
  • Orca-Angriffe auf Boote nehmen seit 2020 zu
  • Ursachen könnten Spiel, Trauma oder Nahrungsknappheit sein
  • Akustische und mechanische Lösungen sollen Angriffe verhindern

Warum greifen Orcas plötzlich immer wieder Segelboote an? Seit einigen Jahren häufen sich rätselhafte Vorfälle vor der Küste Spaniens und Portugals, bei denen Schwertwale gezielt Boote attackieren. Forscher versuchen, dieses ungewöhnliche Verhalten zu erklären, während Technologielösungen entwickelt werden, um Segler zu schützen.

Seit einigen Jahren erregen vermehrte Berichte über Orca-Interaktionen mit Segelbooten in europäischen Gewässern die Aufmerksamkeit von Forschern und Seglern gleichermaßen. Die intelligenten und sozial organisierten Schwertwale, wie Orcas wissenschaftlich genannt werden, sind in den Ozeanen auf der ganzen Welt beheimatet. Ihr Verhalten gegenüber Menschen galt bisher als friedlich, weshalb die jüngsten Ereignisse, bei denen sie gezielt Boote angreifen, besonders verwunderlich erscheinen. In den meisten Fällen konzentrieren sich die Attacken auf das Ruderblatt der Yachten, was nicht nur zu erheblichen Schäden an den Booten führt, sondern auch die Sicherheit der Crew gefährdet. Während die genaue Motivation der Orcas für diese Angriffe noch erforscht wird, steht fest, dass sich das Phänomen in spezifischen geografischen Regionen, wie der Iberischen Atlantikküste und der Straße von Gibraltar, konzentriert​.

Orcas sind für ihre hohe Intelligenz und ausgeprägte soziale Strukturen bekannt, was es ihnen ermöglicht, komplexe Verhaltensmuster zu entwickeln und innerhalb ihrer Gruppen weiterzugeben. Wissenschaftler vermuten, dass einige dieser Interaktionen mit Segelbooten auf die kulturelle Weitergabe bestimmter Verhaltensweisen innerhalb von Orca-Gruppen zurückzuführen sein könnten. Diese Theorie stützt sich auf das Verständnis, dass Orcas nicht nur ihre Jagdstrategien, sondern auch spielerisches oder aggressives Verhalten untereinander erlernen und weitergeben. Der zunehmende Druck auf ihre Lebensräume durch den Menschen sowie der Wettbewerb um Nahrungsressourcen könnten ebenfalls eine Rolle bei der Entstehung dieser Angriffe spielen. Im Fokus der aktuellen Forschung steht nicht nur die Untersuchung der Ursachen dieses Verhaltens, sondern auch die Entwicklung von Maßnahmen, die sowohl die Segler als auch die Wale schützen sollen.

Aktuelle Entwicklungen der Orca-Angriffe auf Segelboote

Seit 2020 hat die Zahl der Orca-Interaktionen mit Segelbooten in den Gewässern um die Iberische Halbinsel und die Straße von Gibraltar drastisch zugenommen. Nach aktuellen Berichten wurden bis 2023 mehr als 600 solcher Vorfälle registriert, bei denen vor allem mittelgroße Segelyachten betroffen sind. Das Hauptziel der Orcas scheint das Ruderblatt der Boote zu sein, das sie wiederholt rammen und in vielen Fällen zerstören. Besonders auffällig ist die Entwicklung, dass die Orcas mittlerweile auch lernen, ihr Verhalten innerhalb ihrer sozialen Gruppen weiterzugeben. Diese Art von „kultureller Weitergabe“ ist bei Orcas nicht neu und deutet darauf hin, dass es sich um eine Form von sozial erlerntem Verhalten handeln könnte, das sich in bestimmten Populationen schnell ausbreiten kann. Einige Wissenschaftler vermuten, dass der Ursprung dieses Verhaltens auf ein traumatisches Erlebnis einer einzelnen Orca-Dame namens „White Gladis“ zurückzuführen ist, die möglicherweise bei einer früheren Kollision verletzt wurde. Andere Forscher betonen jedoch, dass es sich auch um spielerisches Verhalten handeln könnte, das durch die hohe Intelligenz und Neugier der Wale begünstigt wird.

Die Angriffe nehmen weiterhin zu, und ihre Intensität scheint sich zu steigern. Im Jahr 2023 wurden mehrere Boote vor der marokkanischen Küste schwer beschädigt, und mindestens vier Segelyachten sind in den letzten zwei Jahren gesunken. Das Verhalten der Orcas hat auch die geografische Ausbreitung ihrer Angriffe verändert: Während sie ursprünglich nur in den Gewässern um die Straße von Gibraltar auftraten, gibt es mittlerweile Berichte über Vorfälle bis in die Biskaya und sogar nördlich bis nach Frankreich. Segler und Forscher sind gleichermaßen besorgt, da viele dieser Angriffe Boote in eine gefährliche Lage bringen und komplexe Rettungsaktionen erforderlich machen. Verschiedene Regierungen, darunter die spanische und portugiesische, haben Maßnahmen ergriffen, um die betroffenen Gebiete zu überwachen und Präventionsstrategien zu entwickeln. Dazu gehören der Einsatz akustischer Abschreckungssysteme und das satellitengestützte Tracking bestimmter Orcas, die regelmäßig Boote attackieren. Die Gründe für dieses Verhalten bleiben jedoch weiterhin Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Untersuchungen, und die Frage, wie zukünftige Begegnungen zwischen Segelbooten und Orcas sicher gestaltet werden können, bleibt offen.

Mögliche Ursachen für das Verhalten der Orcas

Die zunehmenden Orca-Angriffe auf Segelboote werfen viele Fragen auf, und die wissenschaftliche Gemeinschaft arbeitet intensiv daran, mögliche Ursachen zu identifizieren. Eine der führenden Hypothesen besagt, dass das Verhalten der Orcas vor allem spielerischer Natur ist. Orcas sind hochintelligente und soziale Tiere, die in engen Familienverbänden leben und von Natur aus neugierig sind. Forscher vermuten, dass besonders junge Orcas, die für ihre Erkundungsfreude bekannt sind, begonnen haben, die Rudder von Segelbooten als eine Art Spielzeug wahrzunehmen. Dies könnte erklären, warum insbesondere kleinere Segelboote mit freistehenden Rudern Ziel der Attacken sind.

Ein weiteres Erklärungsmodell sieht das Verhalten als „kulturelle Weitergabe“ innerhalb bestimmter Orca-Populationen. Orcas sind bekannt dafür, Verhaltensweisen durch Beobachtung und Nachahmung innerhalb ihrer Gruppen zu verbreiten, ähnlich wie Menschen soziale Trends weitergeben. Ein Beispiel dafür ist ein Vorfall in den 1980er Jahren, bei dem Orcas im Pazifik damit begannen, tote Fische auf ihren Köpfen zu tragen, ein Verhalten, das als „Modeerscheinung“ innerhalb der Gruppe interpretiert wurde. Die Hypothese besagt, dass ein oder mehrere Orcas das Angreifen von Booten als „Spiel“ eingeführt haben, welches sich dann innerhalb der Gruppe verbreitete. Dies würde erklären, warum das Verhalten in einigen Gebieten wie der Straße von Gibraltar und der iberischen Küste häufiger beobachtet wird, während es in anderen Regionen seltener vorkommt.

Eine weitere Theorie ist, dass traumatische Erlebnisse die Orcas zu diesem Verhalten veranlasst haben. So wird spekuliert, dass ein weiblicher Orca namens „White Gladis“ durch eine Kollision mit einem Boot verletzt wurde und seitdem eine aggressive Haltung gegenüber Schiffen entwickelt hat. Ob dieses Verhalten eine Form von Rache darstellt oder ob es nur zufällig durch ein traumatisches Erlebnis ausgelöst wurde, ist jedoch umstritten, da keine eindeutigen Beweise vorliegen. Einige Wissenschaftler halten es für unwahrscheinlich, dass Orcas gezielt auf Rache aus sind, obwohl die Idee einer „Racheaktion“ in den Medien häufig aufgegriffen wurde.

Darüber hinaus könnte auch der Rückgang bestimmter Nahrungsressourcen, wie etwa des Blauflossen-Thunfischs, den Orcas eine neue Beschäftigungsmöglichkeit bieten. In Zeiten, in denen diese Hauptbeute weniger verfügbar ist, könnten sich die Tiere anderen Objekten, wie Segelbooten, zuwenden. Dies könnte auch erklären, warum die Vorfälle besonders während der Thunfisch-Migrationszeit häufiger auftreten.

Die Forschung geht davon aus, dass es sich um ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren handelt. Ob Spiel, soziale Weitergabe, Stress durch menschliche Aktivitäten oder traumatische Erlebnisse – die genaue Ursache bleibt Gegenstand intensiver Studien. Solange das Verhalten nicht vollständig verstanden ist, bleibt die Frage offen, wie man zukünftige Konflikte zwischen Orcas und Segelbooten verhindern kann.

Technologische Ansätze zur Abwehr von Orcas

Um die zunehmenden Orca-Interaktionen mit Segelbooten einzudämmen, haben Wissenschaftler und Ingenieure verschiedene technologische Lösungen entwickelt. Eine der derzeit vielversprechendsten Methoden basiert auf der Verwendung sogenannter akustischer Pinger. Diese Geräte senden hochfrequente Töne aus, die für den Menschen nicht hörbar, jedoch für Orcas äußerst unangenehm sind. Sie sollen die Tiere davon abhalten, sich den Booten zu nähern. In Portugal und Spanien, wo die meisten Interaktionen stattfinden, wird der Einsatz solcher akustischen Abschreckungssysteme bereits erprobt. Der Erfolg dieser Geräte ist jedoch noch nicht vollständig gesichert, da Orcas extrem intelligente Tiere sind, die sich möglicherweise an diese Töne gewöhnen könnten oder sie ignorieren. In einigen Fällen wurden positive Effekte beobachtet, doch es bleibt abzuwarten, ob dies eine langfristige Lösung darstellt.

Neben akustischen Lösungen wird auch an mechanischen Schutzvorrichtungen gearbeitet. So gibt es Prototypen für verstärkte Ruderblätter, die speziell dafür entwickelt wurden, den Angriffen der Orcas standzuhalten. Diese Ruder bestehen aus hochfesten Materialien wie Karbonfaser oder speziellen Metallen, die sowohl leicht als auch extrem robust sind. Der Gedanke dahinter ist, dass die Orcas bei einem Angriff keinen sichtbaren Schaden mehr verursachen können, was wiederum ihr Interesse an den Booten verringern könnte. Parallel dazu werden Systeme erprobt, die eine direkte Kommunikation mit der Orca-Population ermöglichen könnten. So wird derzeit untersucht, ob es möglich ist, Orcas durch speziell entwickelte Tonfolgen zu signalisieren, dass sich das Boot nicht als Bedrohung darstellt​. Diese Ansätze basieren auf den außergewöhnlichen Kommunikationsfähigkeiten der Orcas und könnten in der Zukunft eine neue Art der Konfliktvermeidung darstellen.

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