Robert Klatt
Die meisten Tiere leben in der Reihenfolge Geburt, Wachstum, Fortpflanzung und Tod. Rippenquallen (Mnemiopsis leidyi) besitzen hingegen eine besondere Entwicklungsflexibilität, die unter bestimmten Bedingungen eine Umdrehung des Alterungsprozesses und eine Rückkehr in das Larvenstadium ermöglicht.
Bergen (Norwegen). Das Leben der meisten Organismen, darunter auch der Mensch, läuft in der Reihenfolge Geburt, Wachstum, Fortpflanzung und Tod ab. Manche Tierarten weichen jedoch von diesem Grundprinzip ab, darunter etwa die sogenannten „unsterbliche Qualle“ (Turritopsis dohrnii), die vom erwachsenen Medusenstadium in ein Polypenstadium zurückkehren kann. Forscher der Universität Bergen haben nun entdeckt, dass auch die Rippenqualle (Mnemiopsis leidyi) zu den alterswidrigen Organismen gehört.
„Wir konnten nachweisen, dass die ausgewachsenen lobaten Stadien von M. leidyi nach einer Stressperiode in das cydippide Larvenstadium zurückkehren können. Die Entdeckung einer neuen Art, die diese einzigartige 'Zeitreisemaschine' nutzt, wirft spannende Fragen darüber auf, wie weit verbreitet diese Fähigkeit im Stammbaum der Tiere tatsächlich ist.“
Die Biologie hat sich bereits vor der neuen Entdeckung intensiv mit Rippenquallen, die auch als Kammquallen bezeichnet werden, beschäftigt, weil die Tiere eine besondere Regenerationsfähigkeit besitzen und sich bereits im Larvenstadium sexuell fortzupflanzen können. Es war deshalb bekannt, dass die Grenzen zwischen dem Erwachsenenstadium und dem Larvenstadium bei Mnemiopsis leidyi nicht klar sind. Experimente haben aber zuvor gezeigt, dass der Übergang vom Larven- zum Erwachsenenstadium bei der Quallenart nicht umkehrbar ist.
Laut der Publikation im Fachmagazin PNAS haben die Forscher beobachtet, dass eine erwachsene Rippenqualle aus einem Aquarium verschwunden ist und dass sich stattdessen eine Larve in dem Aquarium befand. Die Wissenschaftler wollten deshalb untersuchen, ob es sich bei der erwachsenen Qualle und der Larve um ein und dasselbe Individuum handelt. Sie haben dazu ein Experiment entwickelt, das die potenzielle Umkehrung unter kontrollierten Bedingungen untersuchen kann.
„Es war faszinierend, wie sie langsam wieder zu einer typischen cydippiden Larve wurden, als ob sie in der Zeit zurückreisen würden.“
Mithilfe des Experiments konnten die Forscher belegen, dass sich Mnemiopsis leidyi bei Hunger, Stress und bei körperlichen Verletzungen vom erwachsenen Stadium wieder in das Larvenstadium zurückzuentwickeln kann.
„Es war faszinierend, wie sie langsam wieder zu einer typischen cydippiden Larve wurden, als ob sie in der Zeit zurückreisen würden. Über mehrere Wochen hinweg veränderten sie nicht nur ihre morphologischen Merkmale, sondern zeigten auch ein völlig anderes Fressverhalten, das typisch für das Larvenstadium ist.“
Die Studie zeigt somit, dass Rippenquallen eine außergewöhnliche Entwicklungsflexibilität haben und ihren Alterungsprozess umkehren können. Laut den Forschern kann die Tierart deshalb als Modell für die Entwicklungsbiologie und Altersforschung dienen.
„Das ist eine sehr aufregende Zeit für uns. Diese faszinierende Entdeckung wird die Tür zu vielen wichtigen Entdeckungen öffnen. Es wird interessant sein, den molekularen Mechanismus der Rückentwicklung aufzudecken und zu erforschen, was während dieses Prozesses im Nervennetz des Tieres passiert.“
PNAS, doi: 10.1073/pnas.2411499121