Protein Ninjurin-1

Zelltod-Mechanismus auf atomarer Ebene entschlüsselt

Robert Klatt

Ninjurin-1-Proteine bilden sich zusammen (grün/gelb) zu Filamenten und zerbrechen die Zellmembran (grau), bis die Zelle vollständig zerfällt. Intrazelluläre Bestandteile werden in Blau dargestellt )lesaB fo ytisrevinU ,murtnezoiB(Foto: © 

Im Körper des Menschen sterben Millionen von Zellen täglich. Forscher haben den dabei ablaufenden Zelltod-Mechanismus nun auf atomaren Ebene entschlüsselt und gezeigt, dass Zellen am Ende ihres Lebenszyklus entgegen der bisherigen Annahme nicht einfach zerplatzen.

Basel (Schweiz). Im Körper des Menschen sterben Millionen von Zellen täglich. Der Zelltod-Mechanismus ist ein essenzieller Vorgang für alle lebenden Organismen. Wenn Zellen Schäden erleiden oder mit Viren oder Bakterien infiziert werden, leiten sie ihre Selbstzerstörung ein, um die Verbreitung schädlicher Krankheitserreger im Körper zu verhindern und das potenzielle Wachstum von Tumoren zu unterbinden.

Die Wissenschaft ist bisher davon ausgegangen, dass diese am Ende ihres Lebenszyklus einfach zerplatzen. Nun haben Forscher vom Biozentrum der Universität Basel, der Universität Lausanne und der Abteilung für Biosystemwissenschaft und -technik (D-BSSE) an der ETH Zürich neues Wissen zur letzten Phase des Zelltods geliefert.

Zelltod-Mechanismus entschlüsselte

Laut der Publikation im Fachmagazin Nature konnten die Forscher den exakten Mechanismus auf atomarer Ebene entschlüsseln. Das spezielle Protein Ninjurin-1 zerstört demnach die Zellmembran und verursacht dadurch den Zelltod, indem es sich in den Zellen zu Filamenten zusammenfügt. Diese funktionieren wie ein Reißverschluss, der die Zellen öffnet und somit einen Ioneneinstrom in die Zelle ermöglicht, erklärt Sebastian Hiller.

„Die gängige Annahme war, dass die Zelle dann anschwillt, bis sie schließlich aufgrund des zunehmenden osmotischen Drucks platzt. Wir klären jetzt, wie die Zellen wirklich zerplatzen. Anstatt wie ein Ballon zu platzen, bietet das Protein Ninjurin-1 einen Bruchpunkt in der Zellmembran und verursacht so einen Riss an spezifischen Stellen.“

Mikroskope und NMR-Spektroskopie

Die Forscher haben mithilfe fortgeschrittener Methoden, darunter hochsensible Mikroskope und NMR-Spektroskopie, den Mechanismus, durch den Ninjurin-1 auf atomarer Ebene einen Membranriss verursacht, beobachtet. Das kleine Protein, das in die Zellmembran eingebettet ist, verbindet sich zunächst mit einem weiteren Ninjurin-1-Protein, wenn das Selbsttötungssignal empfangen wird. Anschließend treiben die beiden verbundenen Ninjurin-1-Proteine einen Keil in die Zellmembran. Viele weitere Proteine, die sich am initialen Keil anheften, bilden große Läsionen und Löcher. Auf diese Weise wird die Zellmembran Stück für Stück aufgespalten, bis die Zelle vollständig zerfällt.

Die Zelltrümmer werden dann vom körpereigenen Reinigungsdienst entfernt. Es ist nun klar, dass die Zellen ohne Ninjurin-1 nicht platzen. Sie schwellen zwar durch den Ioneneinstrom bis zu einem gewissen Grad an, aber der Membranriss hängt von der Funktion dieses Proteins ab, ergänzt Hiller. Diese wunderbaren strukturellen Erkenntnisse werden das Lehrbuchkapitel über den Zelltod erweitern.

Ansatzpunkt für neue Medikamente

Ein besseres Verständnis des Zelltods wird die Suche nach neuen Medikamentenzielen erleichtern. Therapeutische Eingriffe zur Behandlung von Krebs sind denkbar, da einige Tumorzellen dem programmierten Zelltod entgehen. Auch bei frühzeitigem Zelltod, der bei neurodegenerativen Erkrankungen wie der Parkinson-Krankheit oder bei lebensbedrohlichen Zuständen wie dem septischen Schock beobachtet wird, könnten Medikamente, die in diesen Prozess eingreifen, eine potenzielle Behandlungsoption darstellen.

Nature, doi: 10.1038/s41586-023-05991-z

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