Robert Klatt
Cannabinoidhaltige Liquids können das hochgiftige Gas Keten erzeugen. Besonders riskant ist das Verdampfen von CBD-Acetat.
Portland (U.S.A.). Ende 2019 mussten es in den U.S.A. etwa 3.000 Konsumenten von E-Zigaretten in Kliniken wegen Lungenschäden behandelt werden. Nachfolgende Analysen kamen zu dem Ergebnis, dass die teilweise tödlichen Gesundheitsschäden durch Vitamin-E-Acetat ausgelöst wurde, das als Ersatz für Cannabis einigen Liquids beigemischt wurde. Wird Vitamin-E-Acetat erhitzt, entsteht jedoch hochgiftiges Keten. Eine Studie der Portland State University (PSU) zeigt nun, dass das damalige Problem sich wiederholt.
Mitverantwortlich ist dafür laut den Wissenschaftlern die Legalisierung von Cannabis in vielen Bundesstaaten der U.S.A., die dazu geführt hat, dass auch Stimulanzien mit einer ähnlichen Wirkung wie Tetrahydrocannabinol (THC) vermehrt angeboten werden. Dazu gehört unter anderem THC-Acetat, das von der Food and Drug Administration (FDA) noch nicht reguliert wird und deshalb frei verkauft werden darf. Weil THC-Acetat eine deutlich stärkere psychoaktive Wirkung besitzt als natürliches THC, ist es bei vielen Konsumenten beliebt.
Weil die chemische Struktur von THC-Acetat und Vitamin-E-Acetat sich stark ähnelt, haben die Forscher um Kaelas Munger analysiert, ob bei dessen Verdampfen ebenfalls der Giftstoff Keten gebildet wird. Laut ihrer Publikation auf dem Preprint-Server ChemRxiv konzentrierten sie sich bei ihrer Studie auf das delta-8-THC-Acetatm, das einem Isomer des natürlichen delta-9-THC synthetisch hergestellt wird. Zudem analysierten die Chemiker die Acetat-Formen von Cannabinol (CBN) und Cannabidiol (CBD). Es handelt sich dabei ebenfalls um Cannabinoide der Cannabispflanze.
Damit die Experimente möglichst realitätsnah ablaufen, verwendeten die Forscher handelsübliche E-Zigaretten zum Verdampfen der Liquids. Mithilfe einer Messapparatur zogen sie an diesen jeweils drei Sekunden. Zudem untersuchten die eine alternative Inhalationsmethode, die in den U.S.A. als „Dabbing“ bekannt ist. Bei dieser Methode wird das Liquid auf eine etwa 400 Grad Celsius heiße Oberfläche aufgebracht und durch eine Glaspfeife inhaliert.
Die Messungen zeigen, dass sowohl beim Dabbing als auch beim Verdampfen in E-Zigaretten bei THC-, CBN- und CBD-Acetat giftiges Keten entsteht. Am höchsten war die Konzentration des Gifts bei Dabbing des CBD-Acetats. Konsumenten mit einem Lungenvolumen von fünf Litern inhalieren mit nur einem tiefen Zug rund 78 Mikrogramm Keten. Behörden in den U.S.A. haben einen Grenzwert von 43 Mikrogramm des Giftes als akute Gefahr für das Leben oder die Gesundheit definiert. Beim Dapping des verdampften THC-Acetats enthält ein Atemzug etwa 22 Mikrogramm Keten.
Wie Munger erklärt, sind die Messwerte jedoch mit Vorsicht zu interpretieren, weil die meisten Konsumenten mehrere Atemzüge nehmen. „Was uns am meisten Sorgen macht, ist eine längere Exposition – wir wissen darüber noch nichts. Deshalb brauchen wir Arbeiten wie diese. Andernfalls wären die Leute der giftigen Substanz ausgesetzt, ohne dass wir Beweise dafür finden“, so der Chemiker.
ChemRxiv, doi: 10.26434/chemrxiv-2022-v379b-v2