Robert Klatt
Ballaststoffe sind essenziell für die Gesundheit, werden aber oft als „sandig“ empfunden und daher zu wenig gegessen. Ein neues Gel verbessert das Mundgefühl von Ballaststoffen stark. In Zukunft könnte es unter anderem zur Herstellung von ballaststoffreichen Getränken verwendet werden.
Kopenhagen (Dänemark). Ein Großteil der Weltbevölkerung konsumiert zu wenig Ballaststoffe, obwohl die Nährstoffe für die Gesundheit essenziell sind. Ein Ballaststoffmangel kann unterschiedliche Gesundheitsprobleme verursachen, darunter Diabetes, Darmkrebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen und führt jährlich zu etwa einer Million Todesfälle. Der geringe Ballaststoffkonsum liegt laut Ernährungsberatern vor allem am oft als unangenehm und „sandig“ empfundenen Mundgefühl.
Forscher der University of Copenhagen (KU) haben deshalb ein Gel entwickelt, das das trockene und körnige Mundgefühl von Ballaststoffen beseitigt und dabei helfen soll, die Ballaststoffaufnahme über die Ernährung zu erhöhen.
„Wenn wir etwas nicht mögen, essen wir es nicht. So einfach ist das. Niemand möchte körniges Mehl essen – aber genau dieses Gefühl entsteht oft, wenn unlösliche Ballaststoffe beispielsweise in flüssige Lebensmittel wie Joghurt, Säfte oder Getränke eingearbeitet werden.“
Laut den Wissenschaftler werden unlösliche Ballaststoffe derzeit nur in wenigen Lebensmitteln, darunter Brot, als lecker empfunden. Bei vielen anderen Produkten führt die trockene, leicht körnige Struktur hingegen zu einem schlechten Mundgefühl. Ballaststoffreiche Lebensmittel, etwa Getränk mit Weizenkleie, werden deshalb von den meisten Menschen gemieden.
„Das ist der Grund, warum es nur eine begrenzte Auswahl an ballaststoffreichen Lebensmitteln und Getränken gibt. Es ist wichtig, Wege zu finden, wie Ballaststoffe in mehr Produkten integriert werden können, ohne dass dabei ein unangenehmes Esserlebnis entsteht. Je größer die Vielfalt an ballaststoffreichen Produkten ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Menschen ihre Aufnahme erhöhen. Und nun haben wir möglicherweise eine Lösung gefunden.“
Die Forscher haben laut ihrer Publikation im Fachmagazin Food Hydrocolloids deshalb ein Gel entwickelt, das Ballaststoffe beschichten kann und ihnen damit ihr schlechtes Mundgefühl nimmt. Die Inspiration dafür kommt von Chiasamen, die eine natürliche, gelartige Schicht besitzen. In ihrem Experiment haben die Forscher mit einem ähnlichen Gel Ballaststoffe aus Erbsenzellwänden eingekapselt und ihnen damit eine weiche Beschichtung gegeben.
Das Gel basiert auf Gellangummi und ist geschmacks- und geruchsneutral. Gellangummi ist ein bereits in der Lebensmittelindustrie verwendete Zutat, die von Bakterien produziert wird.
„Die Gelbeschichtung lässt die Ballaststoffe auf der Zunge wie eine cremige Textur wirken. Die einzelnen Partikel sind nicht spürbar, da das Gel den Kontakt zwischen Partikeln und Zunge verhindert. Da das Gel mindestens so weich wie das Gewebe der Zunge ist, werden keine sensorischen Rezeptoren ausgelöst, und wir nehmen keine körnige Textur wahr.“
Anschließend haben die Forscher mit mehreren Menschen die Akzeptanz der beschichteten Ballaststoffe untersucht. Im Mittel ist durch das Gel die Wahrnehmung der Ballaststoffe (- 52 %), die Wahrnehmung der Körnigkeit (- 42 %) und die empfundene Trockenheit im Mund (- 36 %) stark gesunken.
„Wir haben nun gezeigt, dass die Gelbeschichtung funktioniert. Das Gel kann je nach Verwendungszweck verfeinert und angepasst werden. Prinzipiell ist die Methode für alle Arten von Lebensmitteln und Getränken einsetzbar.“
Die Wissenschaftler erhoffen sich, dass das neue Gel dabei helfen kann, eine Ernährung mit mehr Ballaststoffen zu etablieren. Laut ihnen ist das Potenzial vor allem bei flüssigen Lebensmitteln wie Säften und trinkbarem Joghurt hoch.
„Wir stehen vor einem globalen Ernährungsproblem, das mit der alternden Weltbevölkerung weiter zunehmen wird. Ältere Menschen, die zu wenig Ballaststoffe zu sich nehmen, sind anfälliger für Verdauungsprobleme, ungewollten Gewichtsverlust und allgemeine Gebrechlichkeit. Deshalb wird es notwendig sein, ballaststoffreiche Produkte zu entwickeln, die Menschen tatsächlich gerne essen.“
Food Hydrocolloids, doi: 10.1016/j.foodhyd.2024.110366