D. Lenz
Eventuell wurde das Element Lawrencium an der falschen Stelle im Periodensystem eingeordnet Wie Experimente nun erstmals gezeigt haben, ist die Ionisierungsenergie von Lawrencium überraschend niedrig – deutlich niedriger als die aller anderen Actinoiden und Lanthanoiden.
Tokai (Japan). Die Position im Periodensystem der Elemente spiegelt die grundlegenden Eigenschaften eines Elements wider. So zeigt es beispielsweise, wie viele Elektronen der äußeren Hülle in einer chemischen Reaktion abgeben oder wie vom Reaktionspartner aufgenommen werden. Auch die Leichtigkeit, mit der dies geschieht, lässt sich anhand der Position des Elements im Periodensystem ablesen. Zudem zeigen die großen Blöcke, welches Elektronenorbital dabei die wichtige Rolle spielt.
Damit ein Element im Periodensystem richtig eingeordnet werden kann, muss man die Anordnung seiner Elektronen sowie die Ionisierungsenergie kennen. Bei der Ionisierungsenergie handelt es sich um die Energie, die benötigt wird, um dem Element seine Außenelektronen zu entreißen.
Bei Elementen wie Kohlenstoff, Sauerstoff oder Wasserstoff stellt die Zuordnung kein Problem dar. Bei Elementen weiter unten im Periodensystem – bei den superschweren und teilweise extrem kurzlebigen Elementen – hingegen schon.
Eines dieser problematischen Elemente ist Lawrencium (Lr), denn seine Ionisierungsenergie war bisher unbekannt. Vorläufig wurde Lawrencium mit der Ordnungszahl 103 am Ende der Actinoiden, eine Gruppe die gemeinsam mit den Lanthanoiden einen eigenen Block im unteren Periodensystem bildet. In diesem sogenannten f-Block bleibt die äußere Schale unverändert, die Atome erhalten aber von Element zu Element jeweils ein Elektron im drittäußersten f-Orbital hinzu.
Tetsuya Sato von der japanischen Atomenergiebehörde JAEA und seinen Kollegen ist es nun erstmals gelungen das Element Lawrencium zu ionisieren und die dafür benötigte Energie zu messen. Die dadurch gewonnen Daten werfen allerdings die Frage auf, ob Lawrencium tatsächlich an der richtigen Stelle im Periodensystem eingeordnet ist – viele Chemiker sehen das nicht so.
Für ihr Experiment erzeugten Sato und seine Kollegen im ersten Schritt Lawrencium-Atome, indem sie Bor-Atome auf ein zuvor positioniertes Ziel aus Californium schossen - einem Actinoid mit der Ordnungszahl 98. Bei diesem Vorgang entsteht alle paar Sekunden ein Lawrencium-Isotop mit einer Halbwertzeit von 27 Sekunden. In dieser Zeit mussten die Forscher die Atome in einer Wolke aus Kadmiumiodid einfangen und auf eine 2.500 Grad Celsius heiße Metallplatte leiten. Die Hitze entriss dann bei einigen der Lawrencium-Atomen die gewünschte Anzahl an Elektronen.
Als die Forscher anschließend die Ionisierungsenergie berechneten, waren sie überrascht: Lediglich 4,96 Elektronenvolt waren für die Ionisierung von Lawrencium nötig. „Das ist ungewöhnlich niedrig. Lawrencium lässt sich damit nicht nur leichter ein Elektron klauen als alle anderen Lanthanoide und Actinoide, es hat auch die fünftniedrigste Ionisierungsenergie des gesamten Periodensystems“, erklärt Sato.
Was genau der diese aktuellen Forschungsergebnisse für die Zuordnung von Lawrencium im Periodensystem genau bedeutet, darüber herrscht bislang keine Einigkeit. Einige Chemiker halten das Element im f-Block weiterhin am besten aufgehoben, andere würden es direkt unter Scandium und Yttrium im d-Block des Periodensystems einordnen.
Lawrencium an seinem bisherigen Platz zu lassen, dafür spricht, dass die Energie zum Ablösen des äußersten Elektrons bei Lawrencium wie erwartet am geringsten von allen Actinoiden ist.
Für eine neue Positionierung spricht dagegen, dass Lawrencium nicht zu den anderen Actinoiden passt – ähnlich wie auch Lutetium, das letzte Lanthanoid nicht zu seiner Gruppe passt. Denn bei beiden fällt die Ionisierungsenergie im Vergleich zu ihren Nachbarn steil ab. Zudem haben alle anderen Actinoide eine höhere Ionisierungsenergie als die über ihnen stehenden Lanthanoide, nur bei Lawrencium und Lutatium ist es umgekehrt.
Die International Union of Pure and Applied Chemistry, das weltweit entscheidende Gremium in allen offiziellen Fragen der Chemie, nimmt bisher weder die eine noch die andere Position ein, wie Jan Reedijk, Präsident der Anorganik-Sektion der IUPAC erklärte. Das Gremium werde dieses Thema aber im Sommer besprechen.