Robert Klatt
Chemiker haben erstmals belegt, dass Hydrotrioxide auch in der Atmosphäre der Erde entstehen können. Die Auswirkungen dieser hochreaktiven Verbindungen auf die Umwelt und die Gesundheit sind noch unklar.
Leipzig (Deutschland). In den unteren Schichten der Erdatmosphäre laufen permanent chemische Reaktionen ab, die Hunderte Millionen Tonnen anthropogene und natürliche Kohlenwasserstoffe umsetzen. Forscher vermuten schon lange, dass bei diesen Prozessen auch Hydrotrioxide (ROOOH) entstehen. Es handelt sich dabei um reaktionsfreudigen Verbindungen aus Sauerstoffatomen (O), einem Wasserstoffatom (H) und einem Kohlenstoff-haltigen Rest (R).
In der Chemie werden Hydrotrioxide als Oxidationsmittel in organischen Lösungsmitteln bei extrem niedrigen Temperaturen hergestellt. Ob sie als Gas auch in der deutlich wärmeren Erdatmosphäre vorkommen, konnte die Wissenschaft bisher nicht belegen.
Nun haben Forscher des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) erstmals nachgewiesen, dass Hydrotrioxide auch unter atmosphärischen Bedingungen entstehen können. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Science analysierten die Forscher dazu Umgebungsluft in einem Freistrahl-Strömungsrohr per Massenspektrometer. Sie konnten dabei feststellen, dass die Reaktion von Peroxyradikalen (RO2) mit Hydroxylradikalen (OH) zur Bildung von Hydrotrioxiden führen kann.
„Es ist wirklich aufregend, die Existenz einer neuen allgemeingültigen Klasse von Verbindungen zu zeigen, die aus atmosphärisch häufig vorkommenden Vorläufern gebildet wird“, erklärt Studienleiter Henrik Kjærgaard von der Universität Kopenhagen. Laut der Studie könnten so Millionen Tonnen Hydrotrioxide pro Jahr in der Atmosphäre entstehen. Deren Lebensdauer liegt aber nur bei 20 Minuten bis maximal zwei Stunden. Danach bauen sich die Stoffe wieder ab.
Laut Torsten Berndt vom TROPOS müssen nun weitere Studien untersuchen, wie sich die Hydrotrioxide auf die Umwelt und die Gesundheit auswirken. Die Hydrotrioxide könnten sich etwa in Aerosolen lösen und dabei neue Verbindungen eingehen, deren Wirkung bisher nicht bekannt ist. „Es ist leicht vorstellbar, dass sich in den Aerosolen neue Stoffe bilden, die beim Einatmen schädlich sind“, erklärt Kjærgaard.
Zudem wirken sich Aerosole auf das Klima aus. Sie gehören in den Klimamodellen zu den problematischsten Faktoren, weil ihr Verhalten nur schwer zu beschreiben ist. Die Autoren gehen davon aus, dass Hydrotrioxide beeinflussen können, wie viele Aerosole entstehen. „Da Sonnenlicht von Aerosolen sowohl reflektiert als auch absorbiert wird, wirkt sich dies auf die Wärmebilanz der Erde aus“, erklärt Eva Kjærgaard.
„Diese Verbindungen gab es schon immer, wir wussten nur nichts von ihnen. Aber die Tatsache, dass wir jetzt Beweise dafür haben, dass die Verbindungen gebildet werden und eine gewisse Zeit überleben, bedeutet, dass es möglich ist, ihre Wirkung gezielter zu untersuchen und zu reagieren, falls sie sich als gefährlich erweisen“, konstatiert Henrik Kjærgaard. Einen Grund zur Sorge ist die Entdeckung also vorerst nicht.
Science, doi: 10.1126/science.abn6012