Robert Klatt
Die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre nimmt stetig zu. Ein neues Material kann das Gas effizient aus der Luft filtern. Große Anlagen zur CO₂-Abscheidung mit dem kovalenten organischen Gerüstwerk (COF) könnten den Klimawandel bremsen.
Berkeley (U.S.A.). Die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre liegt bei 426 ppm (parts per million), also rund 50 Prozent über Stand vor der industriellen Revolution. Die Wissenschaft arbeitet deshalb zunehmend an Direct Air Capture (DAC) Techniken, mit denen das Treibhausgas aus der Luft entfernt werden kann. Laut dem Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) kann die Erderwärmung ohne diese Methode nicht auf maximal 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau begrenzt werden.
Forscher der University of California, Berkeley (UC Berkeley) haben nun ein kovalentes organisches Gerüstwerk (COF) entwickelt, das CO₂ aus der Umgebungsluft aufnehmen kann, ohne durch Wasser beeinträchtigt zu werden.
„Wir haben ein Pulver dieses Materials in ein Rohr gegeben und Luft aus Berkeley – also Außenluft – durchgeleitet, um zu sehen, wie es funktioniert. Das Ergebnis war beeindruckend. Es hat die Luft vollständig von CO₂ gereinigt, wirklich alles. Ich bin begeistert davon, weil es in seiner Leistung einzigartig ist. Es eröffnet neue Möglichkeiten zur Lösung des Klimaproblems.“
Laut der Publikation im Fachmagazin Nature kann das innovative Material leicht in bestehende Anlagen zur CO₂-Abscheidung integriert werden. Denkbar ist etwa ein Einsatz in Industrieanlagen und Kraftwerken, damit deren gelangen, und um CO2 zur unterirdischen Speicherung aus der Atmosphäre zu gewinnen.
„Die Abscheidung von Abgasen verlangsamt den Klimawandel, weil sie die Freisetzung von CO₂ in die Atmosphäre verhindert. Direkte Luftabscheidung hingegen bringt uns in eine CO₂-Konzentration, wie sie vor 100 oder mehr Jahren herrschte. Derzeit liegt die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre bei über 420 ppm, aber sie wird wahrscheinlich auf 500 oder 550 ppm steigen, bevor die Abgasabscheidung vollständig entwickelt und eingesetzt wird. Wenn wir die Konzentration senken und auf etwa 400 oder 300 ppm zurückkehren wollen, müssen wir die direkte Luftabscheidung nutzen.“
Omar Yaghi, Professor für Chemie und Hauptautor der Studie, hat neben den COFs auch MOFs (metallorganische Gerüstwerke) erfunden. Beide Materialien sind starre kristalline Strukturen mit gleichmäßig verteilten Poren, die dank ihrer großen Oberfläche CO2 gut absorbieren können. Yaghi arbeitet bereits seit 1990er Jahren an MOFs zur CO₂-Abscheidung, also schon lange, bevor diese Technik in der Öffentlichkeit bekannt war.
Seine Forschungsgruppe hat vor zwei Jahren das MOF-808 entwickelt, ein Material, das CO₂ adsorbiert. MOF-808 zerfällt jedoch nach hunderten Zyklen von Adsorption und Desorption. Die Wissenschaftler haben deshalb an stabileren Materialien geforscht und dabei COF-999 entwickelt. Während MOFs durch Metallatome zusammengehalten werden, basieren COFs auf kovalenten Kohlenstoff-Kohlenstoff- und Kohlenstoff-Stickstoff-Doppelbindungen, die zu den stärksten chemischen Bindungen zählen.
„CO₂ aus der Luft zu fangen, ist eine äußerst anspruchsvolle Aufgabe. Es ist energetisch anspruchsvoll; man benötigt ein Material mit hoher CO₂-Kapazität, das selektiv, wasserstabil, oxidationsstabil, recyclebar ist. Es muss eine niedrige Regenerationstemperatur haben und skalierbar sein. Das ist eine hohe Anforderung an ein Material. Und was derzeit eingesetzt wird, sind Aminlösungen, die viel Energie benötigen, weil Amine in Wasser sind, und Wasser benötigt viel Energie zum Erhitzen, oder feste Materialien, die mit der Zeit abbauen.“
Das neue Material COF-999 ist deutlich widerstandsfähiger gegen Verunreinigungen mit Wasser, Schwefel, Stickstoff, Säuren und Basen als andere poröse Feststoffe. Es besteht aus Olefinpolymeren mit einer Amingruppe. Nach der Porenbildung wird das Material mit weiteren Aminen gespült, die sich an NH₂ binden und kurze Aminpolymere in den Poren bilden. Jedes Amin kann etwa ein CO₂-Molekül aufnehmen.
In Experimenten mit 400 ppm CO₂-haltiger Luft bei einer Temperatur von 25 Grad Celsius und 50 Prozent Luftfeuchtigkeit hat das Material die Hälfte seiner Kapazität in etwa 18 Minuten erreicht und war noch zwei Stunden gefüllt. Die Forscher erklären, dass eine Optimierung der Form den Prozess auf weniger als eine Minute beschleunigen kann. Das absorbierte CO₂ kann durch Erhitzen auf 60 Grad Celsius freigesetzt werden und das COF kann anschließend erneut CO₂ adsorbieren.
„Dieses COF hat ein starkes chemisch und thermisch stabiles Rückgrat, benötigt weniger Energie, und wir haben gezeigt, dass es 100 Zyklen ohne Kapazitätsverlust übersteht. Kein anderes Material hat sich für die direkte Luftabscheidung derart bewährt. Es ist im Grunde das beste Material, das derzeit für die direkte Luftabscheidung zur Verfügung steht.“
Nature, doi: 10.1038/s41586-024-08080-x