Robert Klatt
Das neuentdeckte Material ermöglicht Supraleiter bei minus 23 Grad Celsius. Bisher lag der Rekord bei minus 70 Grad Celsius. Weitere Experimente sollen nun Materialien erzeugen, die bereits bei Raumtemperatur supraleitend sind.
Mainz (Deutschland). Supraleiter sind Materialien, die ab der sogenannten Sprungtemperatur einen elektrischen Widerstand von Null haben. Der bisherige Rekord der Sprungtemperatur lag bei minus 70 Grad Celsius. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Chemie (MPI) in Mainz haben nun einen Supraleiter entwickelt, der bereits bei minus 23 Grad Celsius funktioniert. Laut der im Fachmagazin Nature veröffentlichten Studie, könnte das nun entdeckte Material die Basis für Supraleiter bieten, die sogar bei Raumtemperatur nutzbar sind.
Dies würde zum Beispiel einen effizienteren Stromtransport ermöglichen, der wiederum die Anzahl der benötigten Kraftwerke und damit auch die Menge der in die Atmosphäre freigesetzten CO2-Emissionen reduziert. Aktuell existieren zwar bereits erste Versuche mit Supraleitern in städtischen Stromnetzen, diese sind aufgrund der erforderlichen Kühlung aber aufwendig und teuer.
Die Wissenschaftler des MPI haben bereits vor einigen Jahren entdeckt, dass Schwefelwasserstoff bei 2,5 Megabar Druck und einer Temperatur von minus 70 Grad Celsius supraleitend wird. Zuvor bekannte Supraleiter erforderten Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt. Daraus schlussfolgerten die Forscher, dass Verbindungen mit hohen Wasserstoff-Anteilen im metallischen Zustand auch bei relativ hohen Temperaturen zu Supraleitern werden. Der metallische Zustand wird durch den hohen Druck erzeugt.
Auf Basis der vorherigen Entdeckung haben die Wissenschaftler des MPI nun kleinste Mengen Lanthanhydrid (LaH10) synthetisiert, die dann in einer nur wenigen Kubikmikrometer großen Kammer einem Druck von 1,7 Megabar ausgesetzt wurden. Der Druck entspricht dem 1,7 millionenfachen des Atmosphärendrucks auf der Erde. Anschließend wurde die Temperatur schrittweise gesenkt, bis bei minus 23 Grad Celsius der elektrische Widerstand auf Null sank. Da sich Supraleiter nicht nur anhand des gemessenen Widerstands nachweisen lassen, wurde zusätzlich noch das äußere Magnetfeld überprüft, das sich bei Supraleitern verschiebt.
Anhand weiterer Experimente wiesen die Wissenschaftler des MPI nach, dass Lanthanhydrid zu den konventionellen Supraleitern gehört. Dazu wurde der Wasserstoff des Lanthanhydrids durch das Wasserstoffisotop Deuterium ersetzt, was dazu führte, dass die Sprungtemperatur von minus 23 Grad Celsius auf minus 93 Grad Celsius sank, was der Bardeen-Cooper-Schrieffer-Theorie entspricht, die zur Vorhersage konventioneller Supraleiter genutzt wird.
Vor der Entdeckung der supraleitenden Eigenschaft von Schwefelwasserstoff wurde der Temperaturrekord durch Keramik mit Kupfer-Anteilen gehalten, deren Sprungtemperatur bei minus 135 Grad Celsius lag. Im Gegensatz zu metallhaltigen Supraleitern ist der Mechanismus dabei anders, weshalb die keramischen Supraleiter auch als unkonventionelle Supraleiter bezeichnet werden.
Weitere Experimente sollen nun Supraleitung in Yttriumhydrid nachweisen, von denen die Wissenschaftler sich noch höhere Temperaturen versprechen.