Robert Klatt
Der Bodenpilz Mortierella alpina erzeugt natürliche Tenside, deren Wirkung herkömmliche chemische Produkte deutlich übertrifft. Neben der Produktion neuer Waschmittel könnte der Naturstoff deshalb auch für die Medizin interessant sein.
Jena (Deutschland). Pilze gehören zu den vielfältigsten und am weitesten verbreiteten Organismen der Erde und werden auch vom Menschen zum Beispiel bei der Produktion medizinischer Wirkstoffe wie Insulin oder zum Bierbrauen eingesetzt. Wissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität in Jena haben nun herausgefunden, dass die Bodenpilzspezies Mortierella alpina erstaunliche Einsatzmöglichkeiten besitzt.
Es handelt sich dabei um einen Jochpilz, der laut des im Fachmagazin Organic Letters publizierten Papers in alpinen und arktischen Regionen beheimatet ist. Aktuell wird der Pilz vor allem aufgrund seiner langkettigen Fettsäuren genutzt, aus denen sich sogenannte Arachidonsäure herstellen lassen, die als Nahrungsergänzung in Lebensmitteln für Babys verwendet werden.
Die Wissenschaftler um Florian Baldeweg haben nun entdeckt, dass Mortierella alpina außerdem bisher völlig unbekannte Tenside produziert. Tenside reduzieren die Oberflächenspannung einer Flüssigkeit oder die Grenzflächenspannung zwischen zwei Stoffen und arbeiten so als Lösungsverstärker und vereinfachen die Bildung von Dispersionen. Aufgrund ihrer waschaktiven Wirkungen, die die Löslichkeit von Schmutzpartikel und Fett in Wasser erhöht, wird Tenside in Wasch- und Spülmitteln, Seife und Putzmitteln eingesetzt.
Das eigentliche Ziel der Wissenschaftler war, durch einen chemischen Aufreinigungsprozess Peptide, das sind organische Verbindung, die Peptidbindungen zwischen Aminosäuren enthalten, zu extrahieren. Wie Florian Baldeweg, Studienleiter berichtet bildeten schon kleinste Mengen dieser Peptide „eine regelrechte Schaumkrone auf dem Probengefäß.“
Eine anschließende Untersuchung der Substanz zeigte, dass die Schaumbildung durch die natürliche vom Bodenpilz Mortierella alpina erzeugte Tenside ausgelöst wurde. Laut einer Analyse übertrifft die Tensidwirkung des Naturstoffs Natriumdodecylsulfat (SDS), das als Tenside in vielen Waschmitteln genutzt wird.
Der Naturstoff könnte deshalb nicht nur für die Produktion neuer Waschmittel interessant seien, sondern auch Potenzial für pharmakologische Anwendungen besitzen. Laut Markus Greßler, Co-Autor der Studie könnten die Tenside zum Beispiel „biologische Membranen, die zu einem Großteil aus Fetten bestehen, für Substanzen durchlässig machen.“ In der Medizin kann diese Eigenschaft genutzt werden, um Wirkstoffe von Medikamenten im Körper durch Zellmembranen zu schleusen.
Außerdem fügt Greßler hinzu, dass „genetische Untersuchungen am Erbgut dieses Pilzes gezeigt haben, dass er noch viel mehr Naturstoffe produzieren kann.“ Die neu entdeckten Tenside belegt laut den Wissenschaftlern deshalb, dass die Forschung niedere Pilze wie Mortierella alpina und deren Potenzial als Rohstoffquelle bisher vernachlässigt hat.
Organic Letters, doi: 10.1021/acs.orglett.9b00193