Robert Klatt
Chemiker haben 1924 formulierte Bredtsche Regel widerlegt. Die neuen Anti-Bredtsche-Olefine (ABOs) zeigen, dass Doppelbindungen an den zuvor ausgeschlossenen Positionen auf organischen Molekülen existieren können. Diese Erkenntnisse kann bei der Entwicklung neuer Medikamente helfen.
Los Angeles (U.S.A.). Moleküle mit einem Hauptanteil an Kohlenstoff besitzen spezifische Anordnungen von Atomen, darunter etwa Olefine, die Doppelbindungen zwischen zwei Kohlenstoffatomen enthalten. In der Regel liegen diese Atome in derselben dreidimensionalen Ebene. Laut der sogenannten Bredtsche Regel, die der deutsche Chemiker Julius Bredt im Jahre 1924 formuliert hat, können diese organischen Moleküle keine Doppelbindung an der „Brückenkopf“-Position haben, weil dadurch die Geometrie der Doppelbindung verzerrt wäre.
Die Bredtsche Regel schränkt die Gestaltung synthetischer Moleküle deshalb stark ein, weil die Chemie laut ihr bestimmte Strukturen nicht nutzen konnte. Weil Olefine vor allem in der pharmazeutischen Forschung, etwa bei der Entwicklung von neuen Medikamenten eine Rolle spielen, hat die Bredtsche Regel bisher die Konzeption neuer Moleküle und damit potenzielle Innovationen in der Arzneimittelforschung behindert.
Forscher der University of California, Los Angeles (UCLA) haben laut einer Publikation im Fachmagazin Science nun mehrere Molekülarten produziert, die gegen die Bredtsche Regel verstoßen. Die sogenannten Anti-Bredtsche-Olefine (ABOs) zeigen, dass Doppelbindungen an den zuvor ausgeschlossenen Positionen auf organischen Molekülen existieren können. Laut den Autoren ermöglicht diese Entdeckung die Entwicklung von neuen Medikamenten und weitere Innovationen.
„Die Menschen erforschen Anti-Bredt-Olefine nicht, weil sie denken, dass es unmöglich ist. Wir sollten keine derartigen Regeln haben – oder wenn wir sie haben, dann nur als Leitlinien und nicht als unveränderliche Gesetze. Es erstickt die Kreativität, wenn wir Regeln haben, die angeblich nicht überwunden werden können.“
Um die ABOs herzustellen, haben die Forscher Moleküle, die als Silyl-(Pseudo)halogenide bekannt sind, mit einer Fluoridquelle behandelt, um eine Eliminierungsreaktion auszulösen. Anschließend haben sie ein weiteres chemisches Mittel hinzugefügt, um die sehr instabilen ABOs einzufangen. Die Reaktion zeigt, dass ABOs generiert und eingefangen werden können, um neue chemische Strukturen zu schaffen.
„Die Pharmaindustrie hat ein großes Interesse daran, chemische Reaktionen zu entwickeln, die solche dreidimensionalen Strukturen wie die unsrigen liefern, da sie zur Entdeckung neuer Medikamente beitragen können. Diese Studie zeigt, dass Chemiker entgegen eines hundert Jahre alten Wissens ABOs herstellen und verwenden können, um wertvolle Produkte zu entwickeln.“
Science, doi: 10.1126/science.adq3519