Robert Klatt
Schimmelpilze können Materialien für die Produktion von Kunstleder, Papier und anderen Geweben liefern. Die Zucht ist schnell und ohne umweltschädliche Zusatzstoffe möglich.
Borås (Schweden). Die Produktion der Materialien für Baumwolle, Leder, Kunstleder, Papier und andere stoffartige Gewebe verursachen hohe Umweltschäden. Besonders problematisch ist beim Anbau und der Verarbeitung von Baumwelle und in der Papierproduktion der hohe Wasserverbrauch. Kunstleder besteht hingegen größtenteils aus Erdölprodukten. Zudem kommen bei allen Materialien weitere umweltschädliche Chemikalien in der Herstellung zum Einsatz.
Wissenschaftler der Universität Borås haben auf dem ACS Spring Meeting 2022 eine Alternative vorgestellt. Das Team um Akram Zamani beschäftigte sich dazu mit dem Schimmelpilz Rhizopus delemar. Die Zellwände dessen Pilzfäden haben einen hohen Chitin- und Chitosananteil. Ihre Widerstandsfähigkeit ist deshalb deutlich höher als bei den mikroskopisch feinen Pilzhyphen des normalen Brotschimmels. Die Forscher kamen deshalb auf die Idee, dass diese Schimmelpilzfäden sich als Material für Textilien, Papier und Kunstleder nutzen lassen.
Um die benötigten Schimmelpilzfäden herzustellen, sammelten die Forscher altes Brot in Supermärkten, das ansonsten im Müll gelandet wäre. Dies zerkleinerten und trockneten sie dann im Labor. Anschließend wurde es gemeinsam mit Pilzsporen und Wasser in einen Bioreaktor gegeben, wo in der Nährlösung dann die Pilze wuchsen. Nach nur zwei Tagen konnten die Wissenschaftler so Pilzmasse entnehmen und diese von Fetten, Proteinen und anderen Zellbestandteilen befreien. Es verblieb so eine gelartige Masse aus den Zellwänden der Pilzfasern.
„Bei der Entwicklung unseres Prozesses haben wir darauf geachtet, keine giftigen Chemikalien oder anderen umweltschädlichen Verfahren einzusetzen“, erklärt Zamani. Die Pilzfasern konnten anschließend im feuchten Zustand zu einem Garn gesponnen werden. Laut den Forschern könnte dieses als Nahtmaterial oder als wundheilendes Verbandsmaterial in der Medizin verwendet werden. Außerdem können die Pilzfasern als Alternative für normale Baumwollstoffe dienen, wenn aus ihnen ein Stoff gewebt wird.
Alternativ können die Schimmelpilzfäden auch ausgewalzt werden, um aus ihnen Papier herzustellen. Dieses hat ähnliche Materialeigenschaften wie normales Papier aus Zellulose. Zudem können mehrere Schichten des Pilzmaterials mit Zwischenschichten aus Tannin, das aus Holz gewonnen wird, zu einer Art Kunstleder verarbeitet werden. Dieses benötigt im Gegensatz zu anderen lederähnlichen Materialien aus Pilzmaterial keine synthetischen Polymere.
In Experimenten war das Pilzleder ähnlich fest und flexibel wie klassisches Tierleder. „Unsere Tests zeigen, dass dieses Pilzleder mechanische Eigenschaften aufweist, die dem des echten Leders nahekommen“, so Zamani. Durch eine Nachbehandlung mit Glycerin und einem biobasierten Bindemittel wurde das Kunstleder aus Schimmelpilzfäden überdies haltbarer und glatt.
Die Ergebnisse zeigen laut den Forscher ndas große Potenzial für die industriele Nutzung des Rhizopus delema. „Wir hoffen, dass diese aus Pilzen gewonnenen Materialien Baumwolle, synthetische Fasern und Tierleder ersetzen können, die mit ethischen und umweltbedingten Problemen verknüpft sind“, erklärt Zamani.
Aktuell arbeiten die Forscher daran, die Pilzprodukte weiter zu optimieren. Zudem untersuchen sie, mit welchen alternativen Lebensmittelabfällen der Schimmelpilz im Bioreaktor gefüttert werden kann. „Anstatt dass man diese Reste wegwirft, könnte man sie zur Zucht von Pilzen nutzen“, so Zamani. Untersucht werden derzeit Frucht- und Gemüsereste.