Robert Klatt
Endokrine Disruptoren stehen im Verdacht, das Gewicht, das Hormonsystem und den Stoffwechsel zu beeinflussen. Eine Studie hat nun belegt, dass die in Plastik enthaltenen Chemikalien tatsächlich das Wachstum von Fettzellen fördern.
Trondheim (Norwegen). Laut Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat sich die Anzahl der übergewichtigen Menschen seit 1975 global verdreifacht. Dies liegt primär an Veränderungen des Lebensstils und der Ernährungsgewohnheiten. Studien deuten jedoch auch darauf hin, dass weitere bisher unbekannte Faktoren die schnelle Zunahme des Übergewichts in der Weltbevölkerung beeinflussen. Verdächtig werden unter anderem Chemikalien in Kunststoffen, die die Forschung als endokrine Disruptoren bezeichnet. Bisphenol A und Phthalate und andere Moleküle dieser Gruppe sollen das Gewicht, das Hormonsystem und den Stoffwechsel beeinflussen.
Eine neue Studie der Norwegischen Universität für Wissenschaft und Technologie (NTNU) liefert nun weitere Hinweise darauf, dass Plastikbestandteile für die Zunahme von Übergewicht mitverantwortlich sein könnten.
Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Environmental Science & Technology untersuchten die Wissenschaftler 34 Kunststoffe von alltäglichen Produkten mithilfe von Kulturen von Mäusezellen. Elf der 34 Proben führten in den Zellkulturen zum Wachstum neuer Fettzellen. Der Effekt war bei vier Proben sogar stärker als bei der Vergleichssubstanz Rosiglitazon, die zur gezielten Gewichtszunahme verabreicht wird. Die Ergebnisse deuten somit darauf hin, dass Chemikalien in Alltagsprodukten bei der globalen Zunahme von Übergewicht eine Rolle spielen könnten.
Ob und welche dieser Plastikbestandteile tatsächlich die Entstehung von Übergewicht fördern, ist bislang unklar. Dies liegt auch daran, dass die verursachenden Substanzen nur schwer identifiziert werden können. Eine Analyse der verschiedenen Proben mit der hochauflösenden Massenspektrometrie lieferte 55.300 chemische Signaturen.
Die Wissenschaftler um Johannes Völker konnte diese Signaturen 629 Stoffen zuordnen, von denen mindestens elf den Stoffwechsel beeinflussen. Die bereits bekannten Auswirkungen dieser elf Stoffe reichen aber nicht aus, um die Resultate der Studie zu erklären. Allein die Vielfalt der gefundenen Chemikalien und ihrer größtenteils noch unbekannten Wirkmechanismen zeigen jedoch deutlich, dass Kunststoffprodukte sehr wahrscheinlich starke Auswirkungen auf die Gesundheit haben können.
Environmental Science & Technology, doi: 10.1021/acs.est.1c06316