Schwellentemperatur

Unmögliche Reaktion von Platin entschlüsselt

Robert Klatt

Eisenoxidoberfläche mit zwei Platinatomen )ta.neiwut(Foto: © 

Forscher haben einen metastabilen Zustand entdeckt, der erklärt, wieso ein Platinkatalysator bereits unterhalb der eigentlichen Schwellentemperatur aktiv sein kann.

Wien (Österreich). Das Edelmetall Platin ist einer der zentralen Bestandteile vieler Katalysatoren, auch deren in Autos. Es fördert dort die Oxidation von giftigem Kohlenmonoxid, das so zu Kohlendioxid umgewandelt wird. Dieser Katalyse erfolgt normalerweise erst, wenn das Platin eine Schwellentemperatur erreicht hat. Einige Platinkatalysatoren sind jedoch bereits aktiv, obwohl die laut der Lehrmeinung dafür benötigte Temperatur noch nicht erreicht wurde.

„Nach der Dichtefunktionaltheorie, die man normalerweise für solche Berechnungen verwendet, sollte der Prozess erst bei rund 530 Grad stattfinden. Wir wussten also: Irgendetwas Wichtiges hatte man hier bisher übersehen“, erklärt Matthias Meier von der Technischen Universität Wien.

Kalte Reaktion des Platins

Die Forscher der Technischen Universität Wien haben deshalb die kalte Reaktion des Platins untersucht. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Science Advances betrachtete das Team um Meier dazu den kleinstmöglichen Platinkatalysator, aus einer Schicht einzelner Platinatome auf einer Eisenoxidunterlage, im Rastertunnelmikroskop. Dabei können sowohl die Atome der Platinschicht als auch der Eisenoxidoberfläche zwischen unterschiedlichen Anordnungen hin- und herwechseln. Diese Reaktion wird ausgelöst, in dem die Wissenschaftler die Temperatur schrittweise erhöhen und Kohlenmonoxid (CO) zuleiten.

Katalytische Funktion bei 277 Grad Celsius

Sie konnten so beobachten, dass die Platinatome bereits bei 277 Grad Celsius ihre katalytische Funktion hatten, also bei einer deutlich geringeren Temperatur als bisherige Modelle prognostizierten. Laut den Aufnahmen bilden dazu jeweils zwei Platinatome ein Paar, das sich an je ein Kohlenmonoxidmolekül festhält. Diese Platin-Kohlenmonoxid-Brücken sind in den Aufnahmen des Rastertunnelmikroskops als helle Doppelpunkte deutlich sichtbar.

Durch diese Interaktion mit dem Platin-Dimer ändern sich die atomare Struktur der Eisenoxidunterlage. Diese bildet eine Stütze für die Platinbrücke. „Der unerwartete Aspekt dieses Mechanismus ist, dass sowohl das Platin-Kohlenmonoxid-Dimer als auch die Eisenoxid-Stütze einen metastabilen Zustand einnehmen, der die Reaktion ermöglicht“, erklären die Forscher. Anschließend setzt die Unterlage bei der katalytischen Reaktion ein Sauerstoffatom frei, das sich mit dem CO-Molekül zu CO2 verbindet. „Die Platin-Dimere setzen dann ein CO2 frei, bevor sie in zwei Adatome zerfallen und anschließend auch das zweite CO2-Molekül freisetzen“, so Meier.

Platinkatalysator mit metastabilem Zustand

Diese Beobachtung zeigt laut den Forschern einen metastabilen Zustand, der dafür verantwortlich ist, dass ein Platinkatalysator bereits deutlich unterhalb der Schwellentemperatur aktiv sein kann. Durch die Interaktion mit der Unterlage kann das Platin-Kohlenmonoxid-Gebilde demnach schon bei geringeren Temperaturen in einen energetischen Zustand wechseln, bei dem die Reaktion möglich ist.

„Wenn wir diese bisher nicht berücksichtigen Kurzzeit-Zustände in unsere Computersimulation mit einbauen, dann kommen wir genau auf das Ergebnis, das auch im Experiment gemessen wurde“, erklärt Meier.

Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.abn4580

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