Robert Klatt
Viele Industrie- und Gewerbeunternehmen müssen ihre Abwässer vor der Einleitung in das Kanalnetz neutralisieren. Doch was passiert bei der Neutralisation und wieso ist dieser Prozess nötig?
Berlin (Deutschland). In Deutschland haben laut dem Umweltbundesamt (UBA) fast alle gemeldeten Trinkwasserproben eine sehr gute Qualität. Schadstoffe und Mikroorganismen oberhalb der Grenzwerte kommen im Trinkwasser nur in Ausnahmefällen vor. Wie das UBA erklärt, ist dafür primär die komplexe Behandlung des Abwassers durch die Wasserversorger verantwortlich, die erfolgt, bevor das gebrauchte Wasser aus Haushalten und Gewerbe (Schmutzwasser) sowie Niederschlagswasser (Regenwasser und Schmelzwasser) wieder in die Gewässer eingeleitet wird.
Neben den Wasserversorgungsbetrieben müssen sich zudem auch Industrie- oder Gewerbebetrieben an der Wasseraufbereitung beteiligen, wenn ihr Abwässer nicht pH-neutral. Ist das der Fall, müssen die Unternehmen ihr Wasser vor der Einleitung in der Kanalnetz neutralisieren, also dafür sorgen, dass es einen pH-Wert zwischen 6,5 und 9 hat.
Neben der mechanischen und chemischen Reinigung wird Abwasser in Kläranlagen auch biologisch gereinigt. Dabei wandeln aerobe Bakterien und Mikroorganismen organischen Stoffen in Biomasse und Kohlendioxid um. Abwässer aus Industrie- und Gewerbeunternehmen, die zuvor nicht neutralisiert wurden, können jedoch Säuren und Basen mit ätzender Wirkung enthalten, die die Kleinstlebewesen in der biologischen Reinigungsstufe einer Kläranlage schädigen. Die Abwasserneutralisation in Industrie- und Gewerbebetrieben ist also nötig, um die Funktionsfähigkeit der Kläranlagen zu erhalten.
Die Chemie versteht unter einer Neutralisation die Reaktion einer Base mit einer Säure, bei der beide Substanzen ihre Wirkungen gegenseitig aufheben und dabei eine neutrale Flüssigkeit mit einem pH-Wert von 7 erzeugen. In der Praxis werden dazu meist flüssige Neutralisationsmittel wie Natronlauge (NaOH), Salzsäure (HCl) oder Schwefelsäure (H2SO4) verwendet.
Die zu behandelnde Flüssigkeit, also etwa die Abwässer mit ätzender Wirkung, durchströmen in einem freien Gefälle den Reaktor einer Neutralisationsanlage. Dabei stellt ein Rührwerk sicher, dass eine gleichmäßige Durchmischung mit der Säure oder Lauge erfolgt. Wie viel Säure oder Lauge zur Neutralisation nötig ist, bestimmen moderne Neutralisationsanlagen mit ihrem integrierten pH-Messer selbstständig in Echtzeit.
Wenn der gewünschte Ablaufwert erreicht ist, wird dieser nochmals gemessen und über einen Digitalschreiber dokumentiert. Die Kontrollmessung (pH-Endkontrolle) muss über eine andere Messsonde erfolgen als die Sonde zur Regelung des pH-Wertes.
Unternehmen, in denen größer Mengen problematische Abwässer anfallen, unterliegen in Deutschland laut dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG) einer strengen Nachweispflicht. Diese schreibt vor, dass die Unternehmen zum Schutz der Mikroorganismen in den Kläranlagen, Nachweise darüber erbringen müssen, dass ihr Abwasser vor dem Einleiten in das Kanalnetz einen pH-Wert innerhalb der vorgeschriebenen Grenzwerte hatte. Zudem sind die Unternehmen dazu verpflichtet, Nachweise über die tägliche Einleitmengen des Abwassers vorzuhalten. Beide Nachweispflichten werden über zugelassene Schreiber erfüllt, die den eingeleiteten pH-Wert und die Abwassermenge aufzeichnen und dokumentieren.
Neutralisationsanlagen, die die Abwässer auf ein für Kläranlagen unschädliches pH-Niveau regulieren, kommen in Deutschland vor allem in Unternehmen aus den Bereichen:
zum Einsatz. Zudem werden Neutralisationsanlagen nicht nur zur Behandlung von Abwasser, sondern als in der Produktion verwendet, wenn innerhalb einer Prozesskette Wasser mit einem bestimmten pH-Wert benötigt wird.