Robert Klatt
Ein 36-Millionen-Jahres-Zyklus der Plattentektonik hat auf der Erde zu starken Meeresspiegelschwankungen geführt und dadurch die Formung der Artenvielfalt und die Evolution stark beeinflusst.
Paris (Frankreich). Forscher der New York University (NYU) haben kürzlich einen Herzschlag der Erde entdeckt, der sich alle 27,5 Millionen Jahre wiederholt. Dabei kommt es zu einer globalen Häufung von geologischen Ereignissen wie Meeresspiegelschwankungen und Vulkanausbrüchen. Nun haben Wissenschaftler der Sorbonne Université und der University of Sydney (USYD) einen weiteren Zyklus der Erde entdeckt.
Laut ihrer Publikation im Fachmagazin PNAS kommt es durch die Bewegungen der tektonischen Platten des Planeten alle 36 Millionen Jahre zu einem Ansteigen und Absinken des Meeresspiegels. Diese Zyklen beeinflussen die Ökosysteme der flachen Meere und Schelfgebiete stark und haben über Millionen von Jahren das dortige Leben und die Evolution erheblich geprägt.
Die Forscher haben für ihre Studie das Wechselspiel zwischen Plattentektonik und Meeresspiegelschwankungen der letzten 250 Millionen Jahre rekonstruiert. Dazu nutzen sie die GPlates-Plattentektonik-Software, die die EarthByte-Gruppe der USYD entwickelt hat.
Dabei haben sie entdeckt, dass sich mit mitsteigendem und sinkendem Wasserstand die Lebensräume auf den Kontinentalschelfen und in flachen Meeren erweitern und verkleinern. Zahlreiche Organismen erhielten dadurch, die Möglichkeit zu gedeihen, während andere Arten starben. Laut Dietmar Müller belegen Untersuchung des Fossilienbestandes somit, dass die Plattenbewegungen indirekt die Artenvielfalt signifikant beeinflusst haben.
„Im Hinblick auf die Tektonik kennzeichnet der 36-Millionen-Jahres-Zyklus Wechsel zwischen schnellerer und langsamerer Meeresbodenspreizung, die zu zyklischen Tiefenveränderungen in den Ozeanbecken und in der tektonischen Wasserverschiebung in die tiefen Schichten der Erde führen. Diese wiederum haben zu Schwankungen in der Überflutung und Austrocknung von Kontinenten geführt, wobei Zeiträume ausgedehnter flacher Meere die Artenvielfalt fördern.“
Laut Müller belegt die Studie eindeutig, dass die tektonischen Zyklen und der globale Meeresspiegelanstieg eine entscheidende Rolle bei der Formung der Artenvielfalt und der Evolution gespielt haben.
„Diese Forschung stellt frühere Vorstellungen darüber in Frage, warum Arten sich über lange Zeiträume verändert haben. Die Zyklen sind 36 Millionen Jahre lang, aufgrund regelmäßiger Muster, wie tektonische Platten in das konvektierende Mantel, den beweglichen Teil der tiefen Erde, ähnlich einer heißen, dicken Suppe in einem Topf, recycelt werden, der sich langsam bewegt.“
Ein Beispiel dafür ist die Kreideformation von Winton in Queensland, die verdeutlicht, wie die Veränderungen des Meeresspiegels die Ökosysteme geprägt und die Artenvielfalt in Australien beeinflusst haben. Die Formation, bekannt für ihre Sammlung von Dinosaurierfossilien und kostbarem Opal, bietet einen wertvollen Einblick in eine Zeit, in der ein großer Teil des australischen Kontinents überflutet war.
Mit steigendem und fallendem Meeresspiegel hat die Überflutung des Kontinents sich ausdehnende und sich zusammenziehende ökologische Nischen in flachen Meeren geschaffen und einzigartige Lebensräume für eine Vielzahl von Arten geboten.
„Die Kreideformation von Winton steht als Zeugnis für die tiefgreifenden Auswirkungen dieser Meeresspiegelschwankungen und hält einen Moment fest, in dem die Landschaft Australiens umgewandelt wurde und faszinierende Kreaturen das Land durchstreiften.“
PNAS, doi: 10.1073/pnas.2221149120