Robert Klatt
Eisbohrkerne des Projekts EPICA Beyond sollen einen Rückblick auf die letzten 1,5 Millionen Jahre der Erdgeschichte ermöglichen.
Venedig (Italien). In Eisbohrkernen enthaltene Staubkörnchen und eingeschlossene Gase ermöglichen Rückschlüsse auf die Umwelt und das Klima der Erde vergangener Zeiten. Anhand des bisher längsten lückenlosen Bohrkerns könnte die Wissenschaft bis zu 900.000 Jahre in die Erdgeschichte zurückblicken. Entnommen wurde das Eis im Rahmen des EPICA-Projekts in der Antarktis aus 2.774 Meter Tiefe.
Wissenschaftler der Nachfolgeprojekts „Beyond EPICA – Oldest Ice“ haben unter Leitung des Institute of Polar Sciences of the CNR (National Research Council of Italy) kürzlich damit begonnen, einen noch älteren Eisbohrkern zu entnehmen, mit dem Erkenntnisse auf bis zu 1,5 Millionen Jahre Erdgeschichte gewonnen werden sollen. Der Eisbohrkern könnte unter anderem erklären, wieso sich vor 900.000 bis 1.200.000 Jahren die Warm- und Kaltzeiten verändernden.
Durchgeführt wird die Bohrung am Dome C auf dem antarktischen Plateau. Es handelt sich dabei um ein Hochplateau auf 3.200 Meter Höhe, das mehr als tausend Kilometer von der antarktischen Küste entfernt wird. Die Region gilt als eine der unwirtlichsten und entlegensten Orte des Planeten. Selbst in den „wärmeren“ Sommermonaten werden selten Temperaturen von mehr als minus 35 Grad Celsius erreicht.
Ein Teil der Wissenschaftler untersucht bereits seit 2016 die Umgebung von Dome C, um die optimale Position für die Tiefbohrung zu identifizieren. „Wir haben mehr als 2.400 Kilometer an Radaraufnahmen gesammelt, um die Altersstruktur des Eises und die Topografie des Grundgesteins zu charakterisieren. Nach mehreren Jahren der Suche und einem verzögerten Start wegen der Corona-Pandemie können wir nun endlich mit der Bohrung beginnen“, erklärt Robert Mulvaney vom British Antarctic Survey.
In der aktuellen Bohrsaison 2021/2022 bohren die Wissenschaftler ein erstes Loch, das dann als provisorisches Bohrkernlager verwendet werden soll. Das Bohrtempo dabei liegt bei etwa 170 Meter pro Stunde. Anschließend sollen in dem Bohrkernlager Bohrkernabschnitte aus tieferen Schichten gelagert werden, bis diese in spezielles Eiskernlager abtransportiert werden können.
„Die Zeit wird zeigen, ob wir den Ort gut gewählt haben. Es könnte vier Jahre dauern, bis wir bis zum Grundgestein hinuntergebohrt haben, aber ich bin zuversichtlich, dass wir dort Eis finden werden, das substanziell älter ist als das zuvor erbohrte“, erklärt Mulvaney. „Wir versuchen jetzt, noch weiter in der Zeit zurückzureisen. Das könnte uns auch helfen, den aktuellen Klimawandel in der richtigen Perspektive zu sehen“, fügt Projekt-Koordinator Carlo Barbante von der Ca‘ Foscari-Universität in Venedig hinzu.