Robert Klatt
Die chemische Zusammensetzung einer 3,24 Milliarden Jahre alten Gesteinsformation zeigt, dass die Erde zu diesem Zeitpunkt ein Wasserplanet ohne Kontinente war.
Boulder (U.S.A.). Die Entstehungsgeschichte der Erde enthält noch immer Rätsel, die die Wissenschaft bis heute nicht lösen konnte. Als sicher gilt bisher, dass der Planet vor etwa vier Milliarden Jahren eine Temperatur erreichte, die die Bildung einer Erdkruste ermöglichte. Starke Regenfälle und Wasser von Einschlägen aus dem Weltraum sorgten dann für die Bildung des Urmeeres. In der Geologie herrscht jedoch Uneinigkeit darüber, wann die ersten Kontinente aus diesem Urmeer auftauchen.
Wissenschaftler der University of Colorado at Boulder haben nun neue Hinweise dafür entdeckt, dass die Erde vor mindestens 3,24 Milliarden Jahren noch ein Wasserplanet war. Dies deckt sich mit bisherigen Studien, die in den wissenschaftlichen Magazinen Geology und Nature publiziert wurden, und laut vor 2,7 Milliarden Jahren beziehungsweise 2,4 Milliarden Jahren große Landmassen auf der Erde entstanden.
Die nun im Fachmagazin Nature Geoscience veröffentlichte Studie basiert auf Gesteinsproben aus dem Pilbara-Kraton in Australien, von denen die Forscher Isotopenwerte analysiert haben. Das Pilbara-Kraton gehört zu den ältesten bekannten Gesteinsformation des Planeten. Wie Benjamin Johnson, Studienleiter erklärt, „gibt es keine Proben von richtig altem Meerwasser, aber wir haben Gesteine, die mit dem damaligen Meerwasser interagierten und diese Interaktionen konserviert haben.“
Um Rückschlüsse auf die damaligen Temperaturen der Erde sowie geochemische Prozesse und die Ablagerung von Sedimenten ziehen zu können, haben die Wissenschaft von mehr als 100 Proben des 3,24 Milliarden Jahre alten Gesteins das Verhältnis der Sauerstoffisotope O-16 und O-18 analysiert.
Die Analyse zeigt, dass das Meerwasser vor 3,24 Milliarden Jahren im Vergleich zu den heutigen Ozeanen einen O-18-Überschuss von 3,3 Promille hatte. Es müssen daher Prozesse gefehlt haben, die diese Sauerstoffisotop binden und damit deren Konzentration im Wasser reduzieren. Um zu ermitteln, welche Prozesse dies gewesen sein könnten, simulierten die Forscher mögliche Szenarien anhand eines Modells.
Das wahrscheinlichste Ergebnis der Simulation ist, dass die hohe O-18-Konzentration auf fehlende Landmassen zurückzuführen ist. Prozesse wie die Verwitterung sowie tonhaltige Böden, die bei der Bildung von Kontinenten entstehen, sorgen nämlich dafür, dass die schweren O-18-Sauerstoff-Isotope gebunden werden. Die Studienautoren konstatieren daher, dass vor 3,2 Milliarden Jahren die Erde fast ausschließlich von Wasser bedeckt gewesen sein könnte.
Wie Boswell Wing betont, „sprichts nicht dagegen, dass damals schon erste Mini-Kontinente aus den Ozeanen hinausragten.“ Größere Landmassen sind aber laut der Isotopen-Analyse nahezu auszuschließen.
Die Erdentwicklung verlief wahrscheinlich in zwei Schritten, in denen sich aus der reinen Wasserwelt später erste Kontinente bildeten. Laut den Studienautoren Johnson und Wing „könnte der Wasserkreislauf der Erde zwei unterschiedliche Gleichgewichtszustände durchlebt haben – einen vor der Entstehung der ersten Kontinente und einen danach.“
Unklar bleibt aber weiterhin, wann die Plattentektonik begonnen hat und wann sich die ersten Kontinente bildeten. Eine Folgestudie soll daher mit derselben Methodik die nächstjüngeren Gesteinsformationen untersuchen und so den Entstehungszeitraum der Kontinente weiter eingrenzen.
Geology, doi: 10.1130/G35014.1
Nature, doi: 10.1038/s41586-018-0131-1
Nature Geoscience, doi: 10.1038/s41561-020-0538-9