Robert Klatt
Ein Erdbeben der Magnitude 6,5 könnte in Köln zehntausend Gebäude zerstören und mehr als tausend Menschen töten. Dies liegt auch an der schlechten Vorbereitung der Behörden und Einsatzkräfte, die für ein solches Katastrophen-Szenario kaum geschult sind.
Potsdam (Deutschland). Das letzte starke Erdbeben mit einer Magnitude von über 6,0 gab es in Deutschland in Ebingen (Baden-Württemberg) am 16. Nov. 1911. Dabei kam es zu erheblichen Sachschäden an über 6.000 Gebäuden. Wirklich katastrophale Erdbeben mit Todesopfern liegen in unserer Region noch deutlich länger zurück. Trotzdem gibt es auch in Deutschland tektonische Schwächezonen wie zum Beispiel den Rheingraben, in denen starke Erdbeben auftreten können.
Laut Gottfried Grünthal vom Deutschen GeoForschungszentrum Potsdam (GFZ) „zeigen statistische Analysen, dass in der Niederrheinischen Bucht etwa alle 100 bis 300 Jahre mit einem Beben der Stärke 5,5 zu rechnen ist. Mit einem Beben der Stärke 6,5 ist etwa alle 1.000 bis 3.000 Jahre zu rechnen.“
Um die Folgen eines solchen Erdbebens abschätzen zu können, hat das GFZ im Auftrag des Bundestags nun ein solches Katastrophen-Szenario simuliert. Laut der im Fachmagazin Scientific Technical Report publizierten Studie gingen die Wissenschaftler dabei von einem Erdbeben der Magnitude 6,5 am Erftsprung, 20 Kilometer westlich von Köln aus. Die Simulation zeigt, dass ein solches Erdbeben 2,4 Millionen Menschen in Köln und der näheren Umgebung treffen würde. Spürbar wären die Erdstöße aber noch in mehreren hundert Kilometer Entfernung.
Im Kölner Stadtgebiet würden die Bebenwellen durch Resonanzeffekte des Untergrunds laut der Analyse noch verstärkt werden. Es könnte so eine Intensität zwischen VI und VIII auf der EMS-Skala erreicht werden. Laut Cecilia Nievas vom GFZ „könnten nach den Berechnungen der Forscher von den geschätzten 170.000 Wohngebäuden in der Stadt mehr als 10.000 mäßige bis schwere Gebäudeschäden erleiden.“ Auch ein vollständiger Kollaps älterer Gebäude wäre bei einem solchen Erdbeben wahrscheinlich.
Auch die Folgen für die Bevölkerung von Köln wären laut der Simulation fatal. Realistisch sind laut den Forschern zwischen 200 und mehr als tausende Todesfällen und mehreren tausend verletzten Menschen. Zusätzliche Probleme sind außerdem durch Defekte in Chemikalien- und Öltanks der Industrie und durch eine teilweise Zerstörung des Abwassersystems sowie einen teilweisen Ausfall der Trinkwasserversorgung zu befürchten.
In dem Bericht an den Bundestag schreibt das GFZ dazu: „Aufgrund der sehr hohen Zahl von Verletzten bei gleichzeitiger Einschränkung der Funktionalität der Krankenhäuser (z. B. bauliche Substanz, Wasser, Verkehrswege), ist davon auszugehen, dass Krankenhauskapazitäten in ganz Deutschland in Anspruch genommen werden müssen.“
Die Forscher konstatieren daher, dass eine Katastrophe Behörden und öffentliche Organisationen überfordern würde. Dies liegt besonders daran, dass ein Erdbeben-Szenario im Gegensatz im Hochwasser und Stürmen aufgrund der Seltenheit kaum geübt wird. Notwendige Abläufe sowie Auswirkungen und Probleme sind deshalb kaum bekannt.
GFZ: „Die flächendeckende spezifische Vorbereitung auf ein Erdbebenereignis in den gefährdeten Regionen ist aktuell nicht gegeben. Verwaltungen sind häufig unzureichend auf Krisenlagen des hier beschriebenen Ausmaßes vorbereitet. Insbesondere die Aufrechterhaltung der eigenen Funktionsfähigkeit ist nicht sichergestellt.“
Laut den Studienautoren sollten deshalb Krankenhäuser, Wasserversorger und Einsatzkräfte in Zukunft besser für ein solches Szenario ausgebildet werden, um im Ernstfall die Folgen minimieren zu können.
Scientific Technical Report STR20/02, doi: 10.2312/GFZ.b103-20026