Robert Klatt
Die geologischen Prozesse der Erde benötigen Wärme aus dem inneren des Planeten. Nun zeigt eine Studie, dass der Erdkern schneller auskühlt als bisher angenommen wurde.
Zürich (Schweiz). Die Erdwärme im Inneren des Planeten ist entscheidend für geologische Prozesse wie den Vulkanismus, die Plattentektonik und die Gebirgsbildung sowie den Geodynamo des irdischen Magnetfelds. Würde es diese Vorgänge nicht geben, wäre die Erde deutlich weniger lebensfreundlich und würde sehr wahrscheinlich eher dem Mond oder Mars ähneln.
Das Wärmereservoir im Erdkern ist jedoch nicht unerschöpflich, weil ständig Energie in Form von Wärme in den Erdmantel aufsteigt. Die Erde kühlt also langsam aus. „Das wirft die Frage auf, wie schnell die Erde Wärme verliert und damit verbunden, wie lange sie noch dynamisch aktiv bleiben kann“, erklärt Motohiko Murakami von der ETH Zürich.
Entscheidend dafür, wie schnell der Erdkern seine Wärme verliert, ist die sogenannte Kern-Mantel-Grenze. Es handelt sich dabei um eine Schicht, wo das flüssige Eisen-Nickel des äußeren Erdkerns unmittelbar auf das etwa eintausend Grad Celsius kühlere Mantelgestein trifft. „Dies ist wegen ihres steilen Temperaturgradienten die größte thermische Grenze der Erde“, so Murakami. Die Kern-Mantel-Grenze bestimmt demnach größtenteils, wie viel Wärme die Erde insgesamt verliert.
Um zu ermitteln, wie viel Energie die Erde verliert, ist die Wärmeleitfähigkeit des an der Kern-Mantel-Grenze dominierenden Materials Bridgmanit nötig. Die Wärmeleitfähigkeit kann jedoch nur bestimmt werden, wenn die Temperaturen und der Druck genau denen in der unteren Mantelgrenze entsprechen. Bisher konnten Messysteme unter diesen extremen Bedingungen jedoch nicht arbeiten.
Laut ihrer Publikation in den Earth and Planetary Science Letters ist es dem Team um Murakami nun gelungen, ein solches System zu entwickeln. Die Forscher erzeugten dazu unter Hochdruck und Hitze einkristalline Bridgmanit-Kristalle. Diese wurden dann in einer Diamantstempelzelle einem Druck von 80 Gigapascal (800.000 Bar) ausgesetzt und mit einem Laser auf 2.200 Grad Celsius erhitzt. Ein Spektroskop zeichnete, währenddessen die Strahlung auf, die den Wärmefluss und Zustand des Kristallgitters zeigt.
Sie konnten so ermitteln, dass Bridgmanit eine radiative Wärmeleitfähigkeit von rund 5,3 Watt pro Meter und Kelvin (W/mK) besitzt. Gemeinsam mit der vom Kristallgitter abhängigen Wärmeleitfähigkeit liegt die Wärmeleitfähigkeit des Minerals damit bei 15,2 W/mK. Bridgmanit besitzt demnach eine 1,5-mal höhere Wärmeleitfähigkeit als die Modelle der Geologie bisher angenommen haben. Dies bedeutet, dass das Erdinnere deutlich schneller auskühlt als bisher angenommen wurde.
„Unsere Ergebnisse könnten uns eine neue Perspektive auf die Entwicklung der Dynamik der Erde eröffnen. Sie deuten darauf hin, dass die Erde wie die anderen Gesteinsplaneten Merkur und Mars viel schneller als erwartet auskühlt und inaktiv wird“, so Murakami. Wie lange es tatsächlich dauern wird, bis im Mantel die Konvektionsströme zum Stillstand kommen, lässt sich anhand der Studie aber nicht prognostizieren.
„Solche Ereignisse zeitlich einzugrenzen, ist mit dem aktuellen Stand des Wissens nicht möglich“, so Murakami. Dies liegt daran, dass neben der Wärmeleitfähigkeit von Bridgmanit auch der Zerfall radioaktiver Elemente im Inneren des Planeten sowie der Mechanismus der Mantelkonvektion eine entscheidende Rolle haben. Diese sind bisher aber kaum erforscht.
Earth and Planetary Science Letters, doi: 10.1016/j.epsl.2021.117329