Robert Klatt
Die Blutfälle am Taylor-Gletscher in der Antarktis wurden bereits 1911 entdeckt. Nun haben Forscher die Rätsel um die Blood Falls gelöst.
Baltimore (U.S.A.). Im Jahr 1911 entdeckte der Geologe Thomas Griffith Taylor, während der Terra Nova-Expedition am Taylor-Gletscher in der Antarktis, die sogenannten Blood Falls (Blutfälle). Es handelt sich dabei um hypersalines, klares Wasser, das sporadisch durch kleine Risse aus dem Eis austritt und sich unterhalb der Austrittsstellen blutrot färbt. Bisher ging die Wissenschaft davon aus, dass dieses Phänomen von Eisen verursacht wird, die das Wasser aus dem Gestein aufnimmt.
Forscher um Ken Livi von der Johns Hopkins University (JHU) haben nun die Blood Falls erneut untersucht. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Frontiers in Astronomy and Space Sciences analysierten sie dazu mit einem hochleistungsfähigen Transmissionselektronenmikroskope Feststoffproben aus dem Wasser, in denen sie eine Vielzahl kleinster, eisenhaltiger Nanosphären entdeckten. Diese oxidieren und verleihen dem Wasser dadurch einen blutähnlichen Anblick.
„Sobald ich die Mikroskopbilder betrachtete, bemerkte ich, dass es diese kleinen Nanosphären gab und sie waren eisenreich, und sie enthalten viele verschiedene Elemente neben Eisen - Silizium, Kalzium, Aluminium, Natrium - und sie variierten alle.“
Laut Livi wurden die Nanosphären bei vorherigen Untersuchungen nicht nur wegen ihrer Winzigkeit nicht entdeckt, sondern auch, weil man davon ausging, dass die Rotfärbung des Wassers durch Mineralien verursacht wird. Nanosphären sind aber keine Mineralien.
„Um als Mineral klassifiziert zu werden, müssen Atome in einer sehr spezifischen, kristallinen Struktur angeordnet sein. Diese Nanosphären sind jedoch nicht kristallin, daher wurden sie von den zuvor zur Untersuchung der Feststoffe verwendeten Methoden nicht erkannt.“
Proben, die die Mikrobiologin Jill Mikucki an den Blood Falls gesammelt hat, zeigen, dass die Nanosphären von Mikroorganismen produziert werden, die in dem urzeitlichen, eisen- und salzreichen Wasser unter dem Gletscher leben. Es handelt sich dabei um Bakterien, die sich potenziell seit Jahrtausenden nicht weiterentwickelt haben.
Laut den bisherigen Analysen ernähren sich die Mikroorganismen biochemische Kreisläufe mit Schwefel- und Eisenionen. Um weitere Details erlangen zu können, wäre eine Bohrung durch das Eis in den See nötig. Dies wollen die Forscher aber vermeiden, um das abgeschiedene Ökosystem nicht zu gefährden.
„Es gibt Mikroorganismen, die möglicherweise seit Millionen von Jahren unter dem salzigen Wasser des antarktischen Gletschers existieren. Dies sind uralte Gewässer.“
Frontiers in Astronomy and Space Sciences, doi: 10.3389/fspas.2022.843174