Robert Klatt
Europas größter Supervulkan unter den Phlegräischen Feldern in Italien ist zunehmend aktiv. Bodenbewegungen zeigen, dass es bald zu einer großen Eruption kommen könnte.
London (England). Unter den Phlegräischen Feldern (Campi Flegrei) in der Nähe der italienischen Stadt Neapel befindet sich der größte aktive Vulkan Europas. Beim letzten großen Ausbruch des Supervulkans vor etwa 40.000 Jahren wurden große Teil des Kontinents von Asche und Rauch bedeckt. Danach kam es nur noch zu kleineren Ausbrüchen. Seit 1538 gab es am Campi Flegrei keine Vulkanausbrüche mehr. Wie die heißen Quellen sowie die regelmäßigen Gasaustritte und vulkanischen Beben zeigen, ist das Gebiet aber noch immer aktiv.
Forscher des University College London (UCL) haben deshalb untersucht, wann der Supervulkan in Italien erneut ausbrechen wird. Sie konzentrierten sich dabei primär auf die Phasen der Untergrundhebung. Die Geowissenschaft beobachten seit den 1950er-Jahren, dass sowohl der Gasdruck als auch die Temperaturen im Erdinneren stark zunehmen. Es kommt dadurch zu Veränderungen in der Beschaffenheit des Magmas und der Erdboden hat sich wiederholt erhöht.
Sollte der Supervulkan unter den Campi Flegrei abbrechen, hätte dies katastrophale Auswirkungen, da direkt über seiner Caldera, die zwölf bis 15 Kilometer groß ist, über 360.000 Menschen leben. Aktuell sammelt sich das geschmolzene, heiße Magma des Vulkans etwa acht Kilometer unter der Erdoberfläche und unter zwei weniger durchlässigen Schichten, von denen eine etwa 2,5 Kilometer tief liegt. Obwohl aus dem Magmaspeicher vulkanische Gase und hydrothermale Flüssigkeiten aufsteigen, ist bisher kein Magma aufgestiegen.
Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Communications Earth & Environment haben die Forscher um Christopher Kilburn ein neues Modell entwickelt, um die Bodenbewegungen am Campi Flegrei zu analysieren.
„Es ist das erste Mal, dass wir unser Modell quasi in Echtzeit auf einen Vulkan angewendet haben. Und es ist die erste Studie, die Brüche bei einem aktiven Vulkan vorhersagt.“
Die Untersuchungen haben gezeigt, dass sich das Muster von Bodenerhebungen und den dazugehörigen seismischen Beben in den Campi Flegrei im Laufe der letzten Jahrzehnte gewandelt hat. Während das Untergrundgestein bis vor etwa 40 Jahren noch elastisch auf den aufsteigenden Druck reagierte, zeigt es seit 2020 eine zunehmend unelastische Reaktion. Das Gestein bricht, anstatt sich lediglich zu verformen. Dieses unelastische Verhalten weist auf weitere potenzielle Gesteinsbrüche hin.
Laut dem Modell steigen vermehrt vulkanische Gase unter der Caldera des Supervulkans auf. Dadurch sammelt sich immer mehr Gas etwa drei Kilometer tief unter einer weniger durchlässigen Gesteinsschicht. Der anwachsende Druck bewirkt, dass das Vulkangas nicht mehr stetig durch diese dichtere Schicht diffundiert, sondern verstärkt Risse und Brüche in dieser Krustenschicht erzeugt. Die Erdkruste über dem ist derzeit rund ein Drittel schwächer als 1984. Es könnte dadurch für das Magma einfacher sein, sich zur Oberfläche durchzuarbeiten.
Laut Kilburn zeigen die Analysedaten drei mögliche Szenarien. Ob es tatsächlich zu einem Ausbruch kommt, wollen die Forscher noch genauer untersuchen.
„Unsere Studie bestätigt, dass die Campi Flegrei sich weiter auf ein Aufreißen der Kruste zubewegt haben. Allerdings bedeutet dies nicht automatisch, dass dann auch eine Eruption erfolgt. Denn auch wenn ein solcher Bruch die Kruste öffnet, muss das Magma für einen Ausbruch an der richtigen Stelle nach oben gedrückt werden.“
Gemäß den Studienautoren gibt es drei Szenarien. Erstens könnte der Druck im Untergrund abnehmen, sodass es trotz der geschwächten Kruste zu keinem signifikanten Bruch kommt. Zweitens könnten neu entstandene Risse im Untergrund durch geochemische Vorgänge rasch wieder verstopfen und somit eine Art Gleichgewicht entstehen lassen. Ein drittes mögliches Szenario beinhaltet eine fortgeschrittene Hebung und Rissbildung, die zu einem vollständigen Bruch der Kruste über dem Vulkan führen könnten. Dies würde zu einer großen Eruption führen. Die Vulkanologen sehen das oberflächennahe Spaltensystem in der Nähe von Sofatara-Pisciarelli als den wahrscheinlichsten Ort für solch ein Ereignis.
Wie Stefano Carlino vom Vesuv-Observatorium erklärt, ist noch unklar, was passiert. Eine Vorbereitung auf den Ernstfall ist laut dem Forscher aber sinnvoll.
„Aber noch können wir nicht sicher sagen, was passieren wird. Es ist daher wichtig, auf alle Szenarien vorbereitet zu sein.“
Communications Earth & Environment, doi: 10.1038/s43247-023-00842-1