Robert Klatt
Am William-Gletschers in der Antarktis brechen ein- bis zweimal pro Jahr große Eisflächen ab und rutschen ins Meer. Die Auswirkungen einer solchen Kalbung wurden nun erstmals live beobachtet.
Cambridge (England). Am William-Gletscher in der Antarktis kommt es ein- bis zweimal pro Jahr zu größeren Kalbungsereignissen, bei denen große Mengen Eis vom Gletscher abbrechen und in das Meer stürzen. Kürzlich konnte des Forschungsschiffs James Clark Ross der British Antarctic Survey (BAS), das in der Börgen Bay auf der Antarktischen Halbinsel ankerte, eine solche Kalbung beobachten.
Wie die Wissenschaftler um James Scourse von der University of Exeter im Fachmagazin Science Advances berichteten, konnten sie dabei erstmals live sehen, wie sich das Kalben auf den Ozean auswirkt.
Bei der beobachteten Kalbung löste sich Eis mit einer Oberfläche von 78,000 Quadratmetern vom William-Gletschers ab. Die Front der abgebrochenen Gletscherzunge hatte eine Höhe über 40 Metern. Das Gesamtvolumen des Eisblocks lag also bei bis zu 20 Millionen Kubikmetern, was dazu führt, dass er ein gewaltiges Wasservolumen im Meer verdrängt hat.
Laut ozeonografischen Messungen des Forschungsschiffs kam es durch die Kalbung des Gletschers unter der Meeresoberfläche zu Tsunamis, die die Wassersäule stark durchmischten. An der Oberfläche waren diese kaum bemerkbar.
Vor der Kalbung lagerte in der Börgen Bay über dem wärmeren Wasser in der Tiefe eine etwa 50 bis 100 Meter dicke Schicht aus kaltem Wasser. Durch den Tsunami wurden diese stabilen Schichten durchbrochen und die Temperaturen der Bereiche glichen sich an. Die im Wasser enthaltenen Nährstoffe wurden dadurch gleichmäßiger verteilt, wovon vor allem das Plankton an der Oberfläche profitiert. Wie Michael Meredith erklärt, ging die Wissenschaft vorher davon aus, dass andere Ereignisse diese Durchmischung auslösen.
„Wir dachten, wir wüssten, was diese Durchmischung verursacht, etwa dass es im Sommer vor allem Wind und Gezeiten sind. Aber es kam uns nie in den Sinn, dass das Kalben von Eisbergen interne Tsunamis verursachen könnte, die alles so stark durchmischen würden.“
Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.add0720