Robert Klatt
Aktuelle Klimamodelle haben den kühlenden Effekte von Vulkanausbrüchen stark unterschätzt, vor allem, weil kleinere Eruptionen kaum berücksichtigt wurden. Weil der kühlende Effekt nur vorübergehend ist, kann er die globale Erwärmung aber nicht stoppen.
Cambridge (England). Vulkane haben große Auswirkungen auf das globale Klimasystem. Wenn ein Vulkan eruptiert, stößt er Schwefelgase aus, die in der oberen Atmosphäre zu winzigen Partikeln, sogenannten Aerosolen, kondensieren. Diese Aerosole sind in der Lage, Sonnenlicht ins Weltall zurückzustrahlen. Bei besonders massiven Ausbrüchen, wie der Eruption des Hunga Tonga-Hunga Ha’apai (HTHH), die das stärkste Gewitter aller Zeiten verursachte, kann das Volumen der vulkanischen Aerosole so groß sein, dass es zu einer globalen Abkühlung der Temperaturen führt. Derart große Eruptionen treten aber nur einige wenige Male in einem Jahrhundert auf, während es fast jährlich zu kleineren Eruptionen kommt.
Klimaprognosen, etwa der Sechster Sachstandsbericht (AR6) des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) der Vereinten Nationen (UN), gehen davon aus, dass die vulkanische Aktivität im Zeitraum von 2015 bis 2100 auf dem gleichen Niveau liegen wird wie im Zeitraum von 1850 bis 2014. Eine Studie der University of Cambridge von Forschern um May Chim zeigt nun, dass dabei jedoch die Auswirkungen von Eruptionen geringerer Intensität vernachlässigt werden.
„Im Vergleich zu den Treibhausgasen, die durch menschliche Aktivitäten freigesetzt werden, ist der Einfluss, den Vulkane auf das globale Klima haben, relativ gering. Dennoch ist es wichtig, sie in Klimamodelle einzubeziehen, um zukünftige Temperaturveränderungen präzise beurteilen zu können.“
Laut der Publikation in den Geophysical Research Letters haben die Forscher auf Basis von Eisbohrkern- und Satellitendaten unterschiedliche Szenarien für zukünftige vulkanische Aktivitäten entwickelt. Sie haben Szenarien ausgewählt, die niedrige, mittlere und hohe Grade an vulkanischer Aktivität repräsentieren, und führten anschließend Klimasimulationen mit dem UK Earth System Model durch.
Ihre Simulationen deuten darauf hin, dass die Auswirkungen von Vulkanausbrüchen auf das Klima, einschließlich der globalen Oberflächentemperatur, des Meeresspiegels und der Ausdehnung des Meereises, unterschätzt werden. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass die gegenwärtigen Klimaprognosen das mögliche zukünftige Ausmaß der vulkanischen Aktivität größtenteils unterschätzen.
Laut dem mittleren Zukunftsszenarios der Studie wurde der Einfluss von Vulkanen auf die Atmosphäre in Klimaprognosen um bis zu 50 Prozent unterschätzt wird. Dies ist größtenteils auf die Auswirkungen von Eruptionen geringerer Intensität zurückzuführen.
„Wir haben festgestellt, dass nicht nur die vulkanische Beeinflussung unterschätzt wird, sondern Eruptionen geringerer Intensität tatsächlich für bis zu die Hälfte der vulkanischen Beeinflussung verantwortlich sind. Diese Eruptionen geringerer Intensität mögen einzeln genommen keinen messbaren Effekt haben, aber zusammen betrachtet ist ihre Wirkung signifikant. Ich war überrascht zu sehen, wie wichtig diese Eruptionen geringerer Intensität sind. Wir wussten, dass sie einen Effekt haben, aber wir wussten nicht, dass er so groß ist.“
Obwohl der kühlende Effekt von Vulkanen in Klimaprognosen unterschätzt wird, betonen die Forscher, dass dieser nicht mit den durch Menschen verursachten Kohlenstoffemissionen vergleichbar ist.
„Vulkanische Aerosole in der oberen Atmosphäre verbleiben typischerweise ein bis zwei Jahre in der Atmosphäre, während Kohlendioxid viel, viel länger bleibt. Selbst wenn wir eine Periode außergewöhnlich hoher vulkanischer Aktivität hätten, zeigen unsere Simulationen, dass dies nicht ausreichen würde, um die globale Erwärmung zu stoppen. Es ist wie eine vorüberziehende Wolke an einem heißen, sonnigen Tag: der kühlende Effekt ist nur vorübergehend.“
Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass eine vollständige Berücksichtigung der Auswirkungen von Vulkanen dazu beitragen kann, die Zuverlässigkeit von Klimaprognosen zu stärken. Derzeit nutzen sie ihre Simulationen, um zu prüfen, ob künftige vulkanische Aktivitäten die Regeneration des antarktischen Ozonlochs beeinträchtigen und somit einen vergleichsweise hohen Grad an schädlicher ultravioletter Strahlung an der Erdoberfläche aufrechterhalten könnten.
Geophysical Research Letters, doi: 10.1029/2023GL103743