Robert Klatt
Historische CO₂-Daten belegen, dass ein linearer Zusammenhang zwischen der CO₂-Konzentration und der Erderwärmung besteht und dass die 1,5 Grad Celsius Grenze des Pariser Klimaabkommens bereits übertroffen wurde. Zudem ermöglicht die neue Methode eine genauere Prognose des noch kommenden Klimawandels.
Lancaster (England). Laut den Zielen des Pariser Klimaabkommens von 2016 soll die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Referenzwert begrenzt werden. Derzeit liegt der vom Menschen verursachte Beitrag zur globalen Erwärmung laut dem Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) bei 1,31 Grad Celsius, mit einer Unsicherheitsmarge von 1,10 bis 1,60 Grad Celsius. Es ist somit unklar, ob die 1,5 Grad Celsius Grenze des Pariser Klimaabkommens bereits überschritten wurde.
Der IPCC nutzt für seine Berechnungen Temperaturaufzeichnungen aus der Zeit von 1850 bis 1900, die als vorindustrieller Referenzwert definiert sind. Der Zeitraum wurde gewählt, weil hier die ersten globalen Temperaturaufzeichnungen begannen.
Eine neue Messmethode der Lancaster University hat nun die Unsicherheit bei der Schätzung der menschengemachten Erwärmung mehr als halbiert. Demnach liegt die menschengemachte Erwärmung noch unter dem Ziel des Pariser Klimaabkommens, könnte die 1,5 Grad Celsius Grenze in den kommenden zehn Jahren überschreiten, wenn die derzeitige Erwärmungsrate nicht reduziert wird.
Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Nature Geoscience haben die Forscher für ihre Methode den Referenzzeitraum auf eine Zeit vor 1700 verschoben, um den Einfluss des Menschen auf den Klimawandel genauer untersuchen zu können. Sie konnten so ermitteln, dass der menschliche Beitrag zur Erwärmung 2023 bei 1,49 Grad Celsius mit einer Unsicherheitsmarge von 0,11 Grad Celsius lag. In der vorindustriellen Referenzperiode von 1850 bis 1900 war demnach bereits eine Erwärmung von rund 0,2 Grad Celsius enthalten.
„Die Messung der menschengemachten globalen Erwärmung ist eine schwierige Aufgabe, da sie uns zwingt, die heutigen Temperaturen mit denen der vorindustriellen Zeit zu vergleichen – was wir als vorindustrielle Basislinie bezeichnen. Die genauesten Daten zur globalen Temperatur in dieser Zeit stammen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Diese Daten sind jedoch lückenhaft, und die industrielle Revolution war zu diesem Zeitpunkt bereits in vollem Gange. Wenn frühere Methoden diese Daten als Basislinie verwenden, ignorieren sie nicht nur die bereits begonnene Erwärmung, sondern erzeugen auch erhebliche Unsicherheiten.“
Die neue Methode nutzt keine Temperaturaufzeichnungen, sondern die historische CO₂-Konzentration in der Atmosphäre, die die Wissenschaft mithilfe von Luftblasen aus Eisbohrkernen rekonstruieren konnte. Es war dadurch möglich, einen vorindustriellen Referenzwert vor 1700 zu ermitteln.
„Wenn man die globalen Temperaturen gegen die Konzentration von CO₂ in der Atmosphäre aufträgt, fallen beide auf eine bemerkenswert gerade Linie – viel gerader, als es die aktuelle Theorie vorhersagt. Diese Linie zeigt nicht nur, wie stark sich die Erde seit vorindustrieller Zeit erwärmt hat, sondern auch, wie viel dieser Erwärmung auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen ist.“
Laut den Forscher eignet sich die neue Methode, ob und wann die Grenze des Pariser Klimaabkommens bereits überschritten wurde. Sie erklären, dass die Methode sehr komplex ist und dass es daher nicht überraschend ist, dass eine so direkte Methode zur genauen Messung der vom Menschen verursachten Erwärmung bisher nicht berücksichtigt wurde.
„Unsere Methode hat mehrere Stärken. Erstens geht sie direkt das Problem an, wie eine robuste vorindustrielle Basislinie etabliert werden kann, funktioniert aber ebenso gut mit der Basislinie von 1850-1900. Zweitens liefert sie Schätzungen der menschengemachten Erwärmung, die mindestens 30 Prozent sicherer sind als aktuelle Methoden. Drittens ist sie einfach und schnell anzuwenden, sodass wir Erwärmungsschätzungen sofort erstellen können, sobald CO₂- und Temperaturdaten verfügbar sind, ohne komplexe Klimamodelle neu berechnen zu müssen. Das macht die Ergebnisse auch für Laien leichter verständlich.“
Nature Geoscience, doi: 10.1038/s41561-024-01580-5