Robert Klatt
Eine Expedition der Universität Bremen hat in der Tiefsee zwischen Grönland und Spitzbergen ein großes Hydrothermalfeld entdeckt, obwohl die Spreizungsraten der Nahtstelle der Erdkruste dort sehr gering sind.
Bremen (Deutschland). Hydrothermalfelder am Meeresgrund bilden mit ihrem warmen Wasser nährstoffreiche Ökosysteme in der sonst lebensfeindlichen Tiefsee. Die heißen und mineralstoffreichen Quellen bilden damit die Grundlage für unterschiedliche Lebensformen und sind laut einer Studie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) möglicherweise der Ursprungsort der Urzellen auf der Erde. In der Regel befinden sich die hydrothermalen Quellen mit ihren Schwarzen Rauchern und den übrigen hydrothermalen Schloten an Spreizungszonen der Erdkruste wie dem mittelozeanischen Rücken.
Wissenschaftler vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen haben im Rahmen der Expedition MSM109 nun eine neues Hydrothermalfeld am Knipovich-Rücken, einer Spreizungszone zwischen Grönland und Spitzbergen, im Nordmeer entdeckt.
„Nach Hinweisen in der Wassersäule auf hydrothermale Aktivität haben wir mit dem Tauchroboter MARUM-QUEST den Ozeanboden abgesucht“, erklärt Gerhard Bohrmann.
Mithilfe ihres Tauchroboters entdeckten die Wissenschaftler in etwa 3.000 Metern Tiefe einen aktiven Schlot, der zu einem größeren Hydrothermalfeld gehört. Das Hydrothermalfeld in der Tiefsee ist etwa 1.000 Meter lang und etwa 200 Meter breit.
„Die Freude war riesig, als wir einen aktiven Schwarzen Raucher entdeckten. Wie aus einem Ofenrohr schoss die über 300 Grad Celsius heiße, metallhaltige Flüssigkeit heraus und wandelte sich in eine schwarze Wolke um, deren Ausbreitung wir mit dem Tauchroboter nicht mehr überblicken konnten“, so die Forscher.
Vor der Expedition der Universität Bremen waren der Geologie noch keine Hydrothermalfelder in der etwa 500 Kilometer langen Spreizungszone zwischen der Nordamerikanischen und Eurasischen Erdplatte bekannt.
„Solche hydrothermalen Quellen des Meeresbodens waren am Knipovich-Rücken bisher völlig unbekannt, obwohl schon mehrfach danach gesucht wurde“, erklärt Bohrmann.
Gemeinsam mit dem Hydrothermalfeld Lokis Schloss, das im Jahr 2008 südwestlich von Spitzbergen entdeckt wurde, ist das neuentdeckte Hydrothermalfeld eines der nördlichsten bisher bekannten. Beide befinden sich bei 77°20‘ Nord.
Besonders interessant an dem neu entdeckten Hydrothermalfeld am Knipovich-Rücken ist die geringe Spreizungsrate der dortigen Erdplatten.
„Das Besondere sind die extrem geringen Spreizungsraten von nur 1,4 Zentimetern pro Jahr. Neuer Meeresboden entsteht hier also nur sehr langsam. Eine hydrothermale Zirkulation könnte daher anders verlaufen als an normal oder schnell spreizenden Plattengrenzen“, erklärt Bohrmann.
Die bereits vorhandenen Beobachtungen zeigen, dass die zahlreichen Schlote des neu entdeckten Hydrothermalfelds sich stark voneinander unterscheiden. Der Tauchroboter entdeckte warme Fluidaustritte mit weißen Ausfällungen, die im Scheinwerferlicht schimmern, aber auch Quellaustritte mit starken chemischen Ausfällungen, die sich am Meeresboden zu teilweise meterhohen Hügeln abgelagert haben.
Gemeinsam mit norwegischen Wissenschaftlern wurde ein besonders auffälliger Quellaustritt mit überstehenden Flanschen und vielen Kamen den Namen „Yggdrasil“, dem Lebensbaum aus der nordischen Mythologie, getauft. Das gesamte Hydrothermalfeld trägt den Namen „Jøtul Hydrothermalfeld“, nach einem Riesen aus der nordischen Mythologie.
„Bei einem solchen Neufund so weit im Norden wollten wir bei der Benennung Namen aus dem nordischen Kulturkreis nutzen“, so Bohrmann.
Die Wissenschaftler des MARUM planen in etwa zwei Jahren eine weitere Expedition zum Knipovich-Rücken, bei der das Jøtul-Hydrothermalfeld detailliert untersucht werden soll.