Robert Klatt
Neben der Plattentektonik der Erde, Vulkanausbrüchen und Meteoriteneinschlägen können auch Stürme Erdbeben auslösen. Das erst kürzlich entdeckte Phänomen der „Sturmbeben“ sorgte allein in den Meeren um Nordamerika in den letzten 15 Jahren für etwa 10.000 Erschütterungen.
Tallahassee (U.S.A.). Erdbeben werden am häufigsten durch die Tektonik in der äußeren Erdhülle verursacht, die dazu führt, dass an den Plattengrenzen Gestein bricht. Weitere Ursachen sind Vulkanausbrüche, Meteoriteneinschläge, Erdrutsche und Explosionen aber auch menschengemachte Ereignisse wie die das Pohang EGS Projekt, das in Südkorea bei Geothermie-Bohrungen ein starkes Erdbeben ausgelöst hat.
Laut Wissenschaftlern der Florida State University können außerdem starke Stürme Erdbeben verursachen. Erste Vermutungen für diese nun im Fachmagazin Geophysical Research Letters vorgestellte Entdeckung gab es bereits im Jahr 2012 während des Supersturms Sandy, als von zahlreichen seismologische Messstationen Erschütterungen der Erdbebenstärke zwei bis drei entlang der Bewegung des Sturms an der Ostküste der USA aufgezeichnet wurden. Ausgelöst wurden die Beben durch die enorme Energie des Sturms, dessen Einfluss sich bis auf den Meeresboden auswirkte.
Um zu untersuchen, ob die durch den Sturm Sandy ausgelösten Erdbeben ein Einzelfall waren, haben die Wissenschaftler um Wenyuan Fan seismischen Ozean-Messnetzdaten aus verschiedenen Meeresregionen aus 15 Jahren ausgewertet. Dabei suchten sie nach Erschütterungen, die sich durch ihre Abfolge und ihre Form von herkömmlichen Erdbeben unterscheiden.
Es zeigte sich dabei, dass das bisher unbekannte Phänomen der sogenannten Sturmbeben häufig auftritt und innerhalb von 15 Jahren allein in den Meeren um den nordamerikanischen Kontinent etwa 10.000 Erdbeben ausgelöst hat. Die Wissenschaftler konnten anhand der historischen Daten außerdem erkennen, dass Sturmbeben im Gegensatz zu tektonischen Beben teilweise bis zu mehrere Tage andauern und dass sie häufig zusammen mit Rayleigh-Wellen auftreten.
Laut den Studienautoren „sind diese Sturmbeben ein ganz neu identifiziertes Phänomen“, dessen Existenz in der Geologie bisher völlig unbekannt war. Die Auswertung der Messdaten zeigte, dass die Bewegung der Sturmbeben zwar auch den Stürmen folgt, die Beben aber vor allem konzentriert an wenigen Fokuspunkten in den Ozeanen auftreten, wo Erschütterungen von mehr als 3,5 auf der Richterskala erreicht werden.
Die Entstehung von Sturmbeben ist laut der Auswertung der Messdaten nicht vordergründig von der Sturmstärke abhängig, sondern wird von der Topografie des Meeresbodens beeinflusst. Aus diesem Grund gab es Sturmbeben besonders häufig im Golf von Mexiko und vor den Küsten von Florida und Neuengland aber nicht vor Mexiko und an der Ostküste der USA zwischen Georgia und New Jersey.
Eine Analyse der oft betroffenen Regionen zeigte, dass Sturmbeben in Regionen mit flachen Meeresböden besonders häufig auftreten. Dies liegt daran, dass sich dort die Energie des Sturmes besonders gut auf den Meeresuntergrund übertragen kann. Ebenfalls charakteristisch für diese Regionen sind lange und teilweise stehende Wellen.
Wie Fan erklärt „unterstreicht dieses neue Phänomen, dass wir auch im Ozean Erdbebenquellen haben, nicht nur in der Erdkruste“. Weitere Studien sollen nun Antworten auf die noch offenen Fragen bringen und erklären, welche Wellen genau die Energie des Sturms auf den Untergrund übertragen und welche Strukturen besonders starke Sturmbeben auslösen.
Geophysical Research Letters, doi: 10.1029/2019GL084217