Robert Klatt
Arthrose kann noch nicht geheilt werden. Hoffnung machen nun Nanofasern, die dank der Piezoelektrizität neuen Knorpel wachsen lassen.
Storrs (U.S.A.). Arthrose ist eine der häufigsten Gründe für chronische Schmerzen. Bei der Gelenkerkrankung baut eine chronische Entzündung Knorpel in Gelenken ab, bis schließlich Knochen an Knochen reiben. Bisher kann die Medizin die Symptome zwar lindern und den Abbau des Knorpels mit Medikamenten verlangen, aber noch nicht rückgängig machen. Es existieren daher nur Therapieansätze, in denen der abgebaute Knorpel durch einen gesunden Knorpel aus einer anderen Körperregion ersetzt wird. Dies führt jedoch zu Verletzungen an der Entnahmestelle.
Außerdem gab es bereits Versuche, im beschädigten Gelenk den Knorpel nachwachsen zu lassen. Diese waren aber nicht erfolgreich, weil der nachgewachsene Knorpel nicht die Stabilität des natürlichen Knorpels erreichen konnte.
Wissenschaftler der University of Connecticut haben nun eine neue Methode zum gezielten Nachwachsen von Knorpel erprobt. Das Team um Yang Lui setzte dabei laut ihrer Publikation im Fachmagazin Science Translational Medicine auf elektrische Signale statt chemischer Wachstumsfaktoren. „Studien haben gezeigt, dass Knorpel auf elektrische Stimulation reagiert. Elektrische Felder fördern die Geweberegeneration“, erklärt Lui.
Die Forscher entwickelten deshalb ein Gerüst aus Nanofasern, das dank der Piezoelektrizität eine elektrische Spannung bei mechanischer Belastung erzeugt. Als Material dient das biologisch abbaubares Polymer Poly-L-Milchsäure, das bisher etwa zum Verschließen von Operationswunden eingesetzt wird.
In einem Experiment konnte das Gerüst aus Nanofasern in einer Zellkultur neuen Knorpel wachsen lassen. Anschließend erprobten die Wissenschaftler die Methode mit Kaninchen, denen sie zuvor schwere Knorpelschäden zufügten, die denen von Menschen mit Arthrose ähnelten. Einem Teil der Tiere wurde dann das piezoelektrische Nanogerüst implantiert. Als Kontrollgruppen dienten Kaninchen, denen ein ähnliches Nanogerüst ohne Piezoelektrizität implantiert wurde und Kaninchen, die kein Implantat erhielten.
Nach einer vierwöchigen Erholungsphase absolvierte jeweils die Hälfte der drei Gruppen ein Trainingsprogramm, bei dem die Tiere sich auf einem Laufband bewegten. Dabei erzeugte das piezoelektrische Material in dem Implantat der ersten Gruppe durch das Stauchen und Dehnen ein schwaches elektrisches Feld. Nach ein bis zwei Monaten untersuchten die Wissenschaftler den Zustand der Knorpel der zuvor getöteten Tiere.
Bei den Tieren mit dem piezoelektrischen Implantat und dem Training regenerierte der beschädigte Knorpel sich fast vollständig. Ob das Training einen oder zwei Monate durchgeführt wurde, hatte auf das Ergebnis fast keinen Unterschied. „Schon ein einmonatiges Training führte zu einer erheblichen Knorpelheilung und ließ kaum Raum für weitere Verbesserungen“, so die Wissenschaftler. Bei den Tieren, die kein piezoelektrisches Implantat erhielten oder das Trainingsprogramm nicht absolvierten, verlief die Knorpelheilung deutlich schlechter.
„Piezoelektrizität ist ein Phänomen, das auch im menschlichen Körper existiert. Knochen, Knorpel, Kollagen, DNA und verschiedene Proteine haben eine piezoelektrische Reaktion. Unser Ansatz zur Heilung von Knorpel ist in hohem Maße klinisch übertragbar, und wir werden die damit verbundenen Heilungsmechanismen untersuchen“, erklärt Liu.
Bevor klinische Studien mit Menschen durchgeführt werden können, müssen Tierversuche jedoch noch offene Fragen klären. Dazu sollen Versuch mit Tieren erfolgen, die in Gewicht und Größe eher einem Menschen entsprechen. Außerdem sollen die Tiere mindestens ein Jahr beobachtet werden, um sicherzustellen, dass der Knorpel eine ausreichend hohe Haltbarkeit besitzt.
Science Translational Medicine, doi: 10.1126/scitranslmed.abi7282