Robert Klatt
Gehirne von Cannabiskonsumenten unterscheiden sich deutlich von Nichtkonsumenten, auch wenn diese Droge nicht oft nutzen oder lange den Konsum pausiert haben.
Oxford (England). Der Cannabiskonsum hat in den letzten Jahren global zugenommen, weil inzwischen viele Länder die Droge als medizinisches Mittel und als Genussmittel legalisiert haben. Bisher hat die Forschung jedoch die langfristigen Auswirkungen des Cannabiskonsums auf das Gehirn kaum untersucht. Wissenschaftler der University of Oxford haben deshalb Gesundheitsdaten von 15.896 Menschen aus der UK Biobank analysiert, die auch eine MRT-Untersuchung des Gehirns beinhalten. 3.641 der Probanden (22,91 %) gaben an, dass sie bereits Cannabis konsumiert haben.
Der Cannabiskonsum bei den Probanden, die jemals in ihrem Leben die Droge konsumiert hatten, lag zwischen ein- bis zweimal bis zu über 100 Mal. Die Probanden wurden anhand ihres Cannabiskonsums in eine Gruppe mit niedrigem Konsum, der definiert wurde als maximal zehnmal im Leben, und eine Gruppe mit hohem Konsum, über zehnmal im Leben, unterteilt.
Laut der Publikation im Fachmagazin BMJ Mental Health haben die Forscher untersucht, ob es Korrelationen zwischen genetischen Daten und der Intensität des Cannabiskonsums gibt und ob der Cannabiskonsum das Gehirn des Menschen beeinflusst. Sie entdeckten dabei, dass Cannabiskonsum mit mehreren Veränderungen in der Gehirnstruktur und -funktion in Verbindung steht.
Probanden, die bereits Cannabis konsumiert haben, hatten eine geringere Integrität der weißen Hirnsubstanz, die essenziell für die kognitiven Fähigkeiten des Menschen ist, als Personen, die die Droge noch nicht genutzt haben. Die Häufigkeit des Cannabiskonsums und der Zeitraum seit dem letzten Konsum standen nicht in Zusammenhang mit den beobachteten Veränderungen in Gehirnstruktur und -funktion. Unterschiede zwischen den Gruppen mit niedrigem und hohem Konsum wurden ebenfalls nicht beobachtet.
Die Studie zeigt zudem, dass sich Cannabiskonsum bei Frauen und Männern unterschiedlich auswirkt. Bei Männern hat Cannabis sich vor allem auf die funktionelle Konnektivität des Gehirns ausgewirkt, während die Droge bei Frauen primär die Integrität der weißen Substanz beeinflusst hat.
„Cannabiskonsumenten wiesen signifikante Unterschiede in der Gehirnstruktur und -funktion auf, insbesondere hinsichtlich der Marker für eine geringere Integrität der Mikrostruktur der weißen Substanz. Unsere Ergebnisse sollten jedoch mit Bedacht interpretiert werden, und weitere Forschungen sind erforderlich, um die Auswirkungen von starkem Cannabiskonsum in dieser Population zu verstehen, einschließlich Überlegungen zur Potenz und anderen relevanten Informationen zur Unterstützung der öffentlichen Politik.“
Laut den ebenfalls erfolgten Analysen der Gene besteht kein signifikanter Zusammenhang zwischen einem lebenslangen Cannabiskonsum oder einer prognostizierten Cannabisabhängigkeit und dem neurokognitivem Rückgang sowie Gehirnstruktur und -funktion.
„Die genetischen Analysen ergaben keine Unterstützung für kausale Zusammenhänge, die diesen beobachteten Assoziationen zugrunde liegen.“
Wie die Forscher erklären, kann die Studie lediglich Korrelationen zwischen dem Cannabiskonsum und Veränderungen in der Gehirnstruktur und -funktion belegen. Kausale Zusammenhänge, die zeigen, ob und wie die Droge das Gehirn verändert, konnte sie jedoch nicht erbringen.
„Es gibt mehrere mögliche Erklärungen für die Unterschiede zwischen den Beobachtungs- und den Mendel’schen Randomisierungsbefunden. Beispielsweise könnte eine nicht gemessene Variable wie die Ernährung oder der Einsatz bestimmter Medikamente die Beobachtungsergebnisse beeinflusst haben. Die genetischen Analysen könnten zudem über weniger statistische Kraft verfügt haben, um kleine Effekte zu erkennen.“
Die Forschenden weisen auch auf die Einschränkungen der Nutzung der UK Biobank hin, die überwiegend gesunde weiße Teilnehmende einschließt und nur wenige Teilnehmende mit hohem oder abhängigem Cannabiskonsum. Außerdem war es ihnen nicht möglich, Lebenszeitpunkte zu untersuchen, die besonders anfällig für die Auswirkungen von Cannabis sein könnten, und die Studie stützte sich auf die Erinnerung der Teilnehmenden hinsichtlich der Menge oder Häufigkeit des Cannabiskonsums während ihres Lebens.
BMJ Mental Health, doi: 10.1136/bmjment-2024-301065