Mikrobiom von Babys

10.000 unbekannte Viren in Windeln entdeckt

Robert Klatt

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Auf den Punkt gebracht
  • Im Darmmikrobiom leben unzählige bekannte Bakterien. Über die im Darm lebenden Viren war bislang nur wenig bekannt
  • Forscher haben deshalb Windelproben von Babys untersucht, in denen sie rund 10.000 unbekannte Viren entdeckt haben

Es war bisher weitestgehend unbekannt, welche Viren im Darmmikrobiom von Babys leben. Forscher haben deshalb Windelproben untersucht und dabei rund 10.000 unbekannte Viren entdeckt.

Kopenhagen (Dänemark). Der menschliche Organismus beinhaltet unzählige Bakterien und Viren, die kontinuierlich im Verdauungssystem interagieren. Obwohl es bereits bekannt ist, dass die Darmbakterien bei jungen Kindern eine essenzielle Rolle spielen, um sie vor später auftretenden chronischen Erkrankungen zu bewahren, weiß die Wissenschaft bisher nur wenig über die im Darm lebenden Viren.  Forscher der Universität Kopenhagen um Dennis Sandris Nielsen haben deshalb fünf Jahre lang Windelproben von 647 gesunden dänischen Babys untersucht.

„Wir fanden eine außergewöhnliche Anzahl unbekannter Viren im Stuhl dieser Babys. Nicht nur Tausende neuer Virusspezies – aber zu unserer Überraschung repräsentierten die Viren mehr als 200 Familien bisher unbeschriebener Viren. Das bedeutet, dass gesunde Kinder von früher Kindheit an mit einer extremen Vielfalt von Darmviren herumtollen, welche wahrscheinlich einen bedeutenden Einfluss darauf haben, ob sie später im Leben verschiedene Krankheiten entwickeln.“

Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Nature Microbiology  identifizierten die Forscher insgesamt 10.000 Virusarten in den Stuhlproben der Kinder, eine Anzahl, die zehnmal größer ist als die der Bakterienarten bei denselben Kindern. Die Virenarten, die in einer interaktiven Karte visualisiert wurden, erstrecken sich über 248 verschiedene Virusfamilien, von denen lediglich 16 zuvor bekannt waren. Die restlichen 232 bisher unbekannten Virusfamilien wurden nach den Kindern benannt, deren Windeln die Studie ermöglichten. Infolgedessen tragen neue Virusfamilien Namen wie Sylvesterviridae, Rigmorviridae und Tristanviridae.

90 Prozent Bakteriophagen

Die Wissenschaftler entdeckten, dass 90 Prozent der aufgefundenen Viren Bakteriophagen sind, also Viren, die Bakterien befallen und nicht menschliche Zellen. Diese Viren werden von Experten als „Verbündete“ betrachtet, da sie keine Erkrankungen verursachen. Die übrigen 10 Prozent sind eukaryotische Viren, die sich an menschliche Zellen binden.

Nielsen erläuterte, dass dies darauf hindeutet, dass ein durchschnittliches Kind stets von 10 bis 20 dieser Viren befallen ist, ohne offensichtlich erkrankt zu sein. Nielsen betonte, dass gegenwärtig nur wenig über die tatsächlichen Zusammenhänge bekannt ist. Eine Vermutung ist, dass diese Viren möglicherweise relevant sind, um das Immunsystem zu schulen, um später Infektionen zu erkennen. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, dass sie ein Risikofaktor für bisher unbekannte Krankheiten darstellen.

Stärkeres Immunsystem durch Viren?

Laut Shiraz Shah habt die Forschungsgruppe die erste systematische Übersicht über die Vielfalt der Darmviren erstellt. Die hohe Anzahl an Viren im Darm von Säuglingen könnte darauf zurückzuführen sein, dass das Immunsystem noch in der Entwicklungsphase ist und eine Vielzahl von Bakteriophagen als zusätzlichen Schutz benötigt. Shiraz Shah äußerte die Hypothese, dass aufgrund der Tatsache, dass das Immunsystem im Alter von einem Jahr noch nicht in der Lage ist, zwischen nützlichen und schädlichen Mikroorganismen zu unterscheiden, eine außerordentlich hohe Diversität an Darmviren entsteht, die möglicherweise notwendig sind, um später im Leben vor chronischen Krankheiten wie Asthma und Diabetes zu schützen.

„Dies ist das erste Mal, dass eine derart systematische Übersicht über die Vielfalt der Darmviren erstellt wurde. Sie bietet eine völlig neue Grundlage, um die Bedeutung von Viren für unser Mikrobiom und die Entwicklung des Immunsystems zu entdecken. Unsere Hypothese ist, dass aufgrund der Tatsache, dass das Immunsystem im Alter von einem Jahr noch nicht gelernt hat, die Spreu vom Weizen zu trennen, eine außergewöhnlich hohe Artenvielfalt von Darmviren entsteht und wahrscheinlich benötigt wird, um später im Leben vor chronischen Krankheiten wie Asthma und Diabetes zu schützen.“

Nature Microbiology, doi: 10.1038/s41564-023-01345-7

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