Robert Klatt
Weltweit sind an Arbeitszeiten von 55 Stunden oder mehr pro Woche laut einer erstmals durchgeführten Studie der WHO 2016 745.000 Menschen gestorben. Überarbeitung ist damit ein noch größerer Risikofaktor für Gesundheitsschäden als Verletzungen oder Fehlbelastungen.
Genf (Schweiz). Laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) nimm das tödlich zu erkranken bei 55 Stunden Arbeit oder mehr pro Woche deutlich zu. Allein an einem Schlaganfall oder einer Herzerkrankung in Folge von Überarbeitung sind deshalb 2016 weltweit 745.000 Menschen gestorben. Dies ist eine Zunahme von Todesfällen in Zusammenhang mit Herzerkrankungen durch zu lange Arbeitszeiten um 42 Prozent und eine Zunahme von tödlichen Schlaganfälle durch zu lange Arbeitszeiten um 19 Prozent in nur 16 Jahren.
2016 gingen demnach durch Überarbeitung rund 23 Millionen gesunde Lebensjahre verloren. Dies sind mehr verlorene Lebensjahre als durch Verletzungen oder Fehlbelastungen, die bisher als größte Risikofaktoren für Gesundheitsschäden am Arbeitsplatz galten. Laut der WHO ist Überarbeitung somit der „führende Risikofaktor für Berufskrankheiten“.
Die im Fachmagazin Environment International publizierten Metastudie ist die erste Studie, die systematisch global die Zusammenhänge zwischen sehr langen Arbeitszeiten und dem Verlust von gesunden Lebensjahren untersucht hat. Die Wissenschaftler haben dazu Umfragen zu Arbeitszeiten aus 154 Ländern sowie Studien über Schlaganfälle und Herzkrankheiten mit mehr als 1,6 Millionen Probanden ausgewertet.
Laut den Ergebnissen arbeiten rund neun Prozent der Weltbevölkerung permanent mehr als 55 Stunden pro Woche. Wie Jian Li von der Universität von Kalifornien in Los Angeles erklärt, nimmt aber dieser Arbeitszeit die direkte körperliche und psychische Belastung und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich zu. Außerdem gibt es noch indirekte Faktoren wie Alkohol- und Zigarettenkonsum sowie Bewegungs- und Schlafmangel, die mit hoher Arbeitszeit verstärkt auftreten.
Besonders häufig treten arbeitsbedingte Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Ostasien, Südostasien und in Indien sowie in einigen Ländern in Afrika und Südamerika auf. Es handelt sich dabei größtenteils um wirtschaftlich schwache Länder, in denen viele Personen ohne geregelte Arbeitsverträge und -zeiten leben.
Das Problem existiert aber auch in reichen Industrieländern wie Japan, wo es für den Tod durch Überarbeitung sogar das Wort „Karoshi“ gibt. „Karoshi wurde in vergangenen Jahren als einzigartiges ostasiatisches Phänomen gesehen, doch durch unsere systematischen Untersuchungen und globalen Schätzungen wissen wir, dass es sich um ein globales Problem handelt“, erklärt Li.
Am geringsten ist die Gesundheitsbelastung laut der Studie in Europa und Nordamerika, wo der Arbeitnehmerschutz deutlich strenger ist als in den übrigen Teilen der Welt. „Diese Maßnahmen scheinen also wirklich zu funktionieren“, konstatiert Frank Pega.