Robert Klatt
Das Abführmittel Prucalopride erhöht die Vernetzung im Gehirn und verbessert dadurch das Gedächtnis und die Denkleistung.
Oxford (England). Gedächtnis- und Denkstörungen können bisher kaum behandelt werden. Laut verschiedenen Studien mit Tieren und Menschen könnte das Abführmittel Prucalopride helfen. Dieses Medikament aktiviert Serotoninrezeptoren, die sich vor allem in Bereichen des Gehirns befinden, die essenziell für kognitive Funktionen sind. Bisher sind die Auswirkungen und Nebenwirkungen dieses Medikaments auf die Gehirnaktivität aber kaum erforscht.
Forscher der University of Oxford um Angharad N. de Cates haben laut ihrer Publikation im Fachmagazin Biological Psychiatry: Cognitive Neuroscience and Neuroimaging deshalb eine Studie mit 50 gesunden Probanden durchgeführt. Die Hälfte der Probanden erhielt eine sechstägigen Kur des Medikaments Prucalopride, die andere Hälfte ein Placebo. Die Gehirne aller Teilnehmer wurden mittels funktioneller Magnetresonanztomografie gescannt, um die Wirkung des Medikaments zu untersuchen.
„Unsere bisherigen Studien mit Prucalopride haben gezeigt, dass es selbst bei geringen klinischen Dosen die kognitive Leistung und das Gedächtnis bei gesunden Freiwilligen verbessern kann. Diese neueste Forschung liefert einen neurologischen Mechanismus, durch den dies möglicherweise geschehen könnte.“
Bei den Probanden, die das Medikament erhielten, beobachteten die Forscher eine erhöhte funktionelle Vernetzung zwischen bedeutenden kognitiven Netzwerken. Dies beinhaltete eine stärkere Vernetzung zwischen dem zentralen exekutiven Netzwerk, einem Hirnnetzwerk, das zur Verarbeitung von Gedanken genutzt wird, und dem hinteren und vorderen cingulären Kortex (ACC), eine Gehirnregionen, die die Informationsverarbeitung und Aufmerksamkeit im Gehirn regulieren.
„Dies liefert weitere Beweise dafür, dass Prucalopride einen Effekt in Gehirnbereichen hat, die die kognitive Funktion verbessern - sowohl durch Erhöhung als auch Reduzierung der Vernetzung zwischen bestimmten Gehirnregionen, je nach Bedarf.“
Eine angemessene Vernetzung innerhalb und zwischen diesen Gehirnnetzwerken ist für das korrekte Denken unerlässlich. Diese Vernetzung wurde bei Depressionen bereits als gestört identifiziert. In dieser Studie zeigte sich, dass die Teilnehmenden, die Prucalopride einnahmen, am Tag der Untersuchung bessere Ergebnisse in kognitiven Tests erzielten als diejenigen, die das Placebo einnahmen.
Gedächtnis- und Denkstörungen treten häufig zusammen mit Stimmungsstörungen und anderen psychischen Zuständen auf und führen oft zu erheblichen Problemen. Laut Dr. Murphy können die Studienergebnisse deshalb primär für Menschen mit Depressionen helfen. Nicht behandelte kognitive Probleme können deren Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Die Studienergebnisse reihen sich ein in eine wachsende Beweislage, dass Medikamente, die den 5-HT4 Serotoninrezeptor beeinflussen, als neuartige Methode zur Behandlung von Depressionen und kognitiver Beeinträchtigung infrage kommen könnten.
Auch Catherine Harmer, Ph.D., Professorin für kognitive Neurowissenschaft und Mitautorin der Studie, hebt die Bedeutung der Studie hervor. Sie betont, dass Prucalopride, das gewöhnlich als Abführmittel eingesetzt wird, signifikante Auswirkungen auf das Gehirn haben kann, insbesondere auf die Schaltkreise, die für das Lernen und das Gedächtnis wichtig sind. Die Studienergebnisse legen nahe, dass dieses Medikament nützlich sein könnte als Behandlung zur Steigerung der kognitiven Leistung bei Krankheiten wie Depressionen.
Biological Psychiatry: Cognitive Neuroscience and Neuroimaging, doi: 10.1016/j.bpsc.2023.03.014