Robert Klatt
Eine Achtsamkeitsmeditation kann chronische Schmerzen reduzieren. Gehirnscans zeigen nun, dass dies nicht am Placeboeffekt liegt, sondern dass die Meditation gezielt die neuronalen Schmerzschaltkreise drosselt und damit die Schmerzempfindung senkt.
San Diego (U.S.A.). In Deutschland leidet etwa ein Fünftel der Menschen unter chronischen Schmerzen, die von komplexen neurologischen Prozessen im Rückenmark und Gehirn verursacht werden. Das sogenannte Schmerzgedächtnis sorgt dafür, dass die Schmerzen oft selbst dann noch bestehen, wenn deren Ursachen schon lange behoben wurden. Die Medizin kann solche Schmerzen deshalb nur schwer mit herkömmlichen Medikamenten behandeln. Viele Betroffene versuchen deshalb mit der Achtsamkeitsmeditation ihre Schmerzen zu reduzieren.
Die Achtsamkeitsmeditation umfasst unterschiedliche Arten der Meditation, bei der sich Menschen auf ihre Sinneseindrücke und ihren Körper konzentrieren und dabei Gedanken, Schmerzen und Stress ausblenden. Wenn die Mediation gelingt, kann sie zu einer langanhaltenden, tiefen Entspannung führen und im Gehirn sichtbare Effekte auslösen.
In der Forschung war es bisher jedoch umstritten, ob die positiven gesundheitlichen Auswirkungen der Achtsamkeitsmeditation ausschließlich auf dem Placeboeffekt beruht oder darüber hinausgeht. Forscher der University of California, San Diego (UCSD) haben deshalb eine Studie mit 115 Probanden durchgeführt, die in vier Gruppen unterteilt wurden, Eine Gruppe führte regelmäßig eine Achtsamkeitsmeditation unter Anleitung durch, eine Gruppe hörte ein Hörbuch und die beiden anderen Gruppen erhielten ein Placebo, einmal eine Salbe ohne Wirkstoffe und einmal eine Scheinmeditation, die ausschließlich aus Atemübungen bestand.
Laut der Publikation im Fachmagazin Biological Psychiatry wurden vor und nach der jeweiligen Behandlung ein Schmerzreiz an der Beinrückseite der Probanden verursacht, während sich diese in einem Hirnscanner befanden. Die Forscher konnten so die Schmerzreaktion in den Neuronen beobachten. Zudem wurden die Probanden nach ihren subjektiven Schmerzempfindungen befragt.
Laut den Antworten der Probanden reduzieren sowohl die Placebobehandlungen als auch die Meditation das subjektive Schmerzempfinden. Die Gehirnscans zeigen jedoch deutliche Unterschiede. Während die Achtsamkeitsmeditation die Aktivität der Schmerzschaltkreise im Gehirn reduziert und damit die Schmerzempfindung senkt, beeinflussen die Placebos die Schmerzschaltkreise laut der funktionellen Magnetresonanz-Tomografie (fMRT) nicht.
„Lange wurde angenommen, dass es Überlappungen zwischen Placeboeffekt und aktiven Therapien wie der Meditation gibt. Aber unsere Resultate legen nahe, dass dies zumindest beim Schmerz nicht der Fall ist: Die beiden Hirnreaktionen sind komplett unterschiedlich.“
Die Studie belegt somit, dass die Achtsamkeitsmeditation nicht nur auf dem Placeboeffekt beruht.
„Indem wir bei der Meditation den Schmerz von unserem Selbst trennen und ihn nicht mehr bewerten, kann die Achtsamkeitsmeditation direkt beeinflussen, wie wir den Schmerz empfinden – und das ganz ohne Drogen.“
Biological Psychiatry, doi: 10.1016/j.biopsych.2024.08.023