Robert Klatt
In den Niederlanden wurde eine HIV-Mutation mit einer deutlich höheren Viruslast entdeckt, die wohl leichter übertragbar ist.
Oxford (England). Wissenschaftler der Universität Oxford haben eine weitere Variante des HI-Virus in den Niederlanden entdeckt. Wie das Team um Chris Wymant im Fachmagazin Science veröffentlicht hat, ist die Viruslast der VB-Variante etwa 3,5 bis 5,5 Mal höher als beim HIV Typ 1, der erstmals im Jahr 1983 beschrieben wurde. Überdies ist die VB-Variante leichter übertragbar und hat das Potenzial größere Schäden am Immunsystem anzurichten.
Entdeckt wurde die VB-Variante erstmals bei Patienten des Monitoring-Projekts Beehive (Bridging the Epidemiology and Evolution of HIV in Europe), für das regelmäßig Proben aus Europa und Uganda analysiert werden. Ein Großteil der Fälle (88 %) des Monitoring-Projekts Beehive stammte aus den Niederlanden. Bei anschließenden Tests mit tausenden Patienten konnten die Wissenschaftler dort 92 weitere Infektionen mit der VB-Variante entdecken.
Obwohl die Viruslast der VB-Variante deutlich höher ist, besteht laut der Studie keine größere Gefahr für Infizierte, wenn diese regelmäßig medizinisch behandelt werden. Die Krankheitsverläufe sind demnach bei entsprechender Betreuung ähnlich bei anderen Patienten. „Die Beobachtung von solchen übertragbareren HIV-Varianten wird keine Krise für die öffentliche Gesundheit nach sich ziehen“, schreibt Joel Wertheim in einem Kommentar.
Die Studie verdeutlicht somit, dass Risikogruppen möglichst einfach die Option erhalten sollten, sich regelmäßig testen zu lassen, um eine frühe Diagnose und Behandlung zu ermöglichen. „Das begrenzt die Zeit, in der HIV das Immunsystem schädigen und die Gesundheit gefährden kann“, erklärt Christophe Fraser.
Laut der Studie verbreitet sich die HIV-Mutation bereits seit den Achtziger- und Neunzigerjahren in den Niederlanden. Seit etwa 2010 hat sich die Verbreitung jedoch wieder verlangsamt. Die neue Variante scheint demnach andere Varianten des Virus nicht zu verdrängen.
Bei der VB-Variante sind laut Genanalysen etwa 300 Aminosäuren verändert. Dies erschwert die Analyse des Virus. Wieso die neue Variante deutlich ansteckender ist, kann die deshalb Studie nicht beantworten.
„Die Studie ist ein weiteres Puzzlestück für unser Verständnis der Evolution von HIV. Die Effekte sind zwar statistisch signifikant, aber im großen epidemiologischen Kontext eher nebensächlich“, erklärt der Virologe Maximilian Muenchoff von der Ludwig-Maximilian-Universität München (LMU). Laut ihm wird die Virusvariante die HIV-Epidemie also keinen neuen Schwung verleihen. Entscheidend für Patienten sind ohnehin nicht die virologischen Faktoren, sondern die Therapie und ein gesunder Lebensstil.
Diese Meinung vertritt auch der Virologe Hans-Georg Kräusslich von der Universität Heidelberg. „Angesichts des langen Zeitraums und der recht geringen Zahl spricht nichts für eine rasche Ausbreitung“, erklärt Kräusslich. Laut ihm ist es demnach unwahrscheinlich, dass die neue Variante zu mehr Aids-Erkrankung führt.
Science, doi: 10.1126/science.abk1688