Robert Klatt
Im hohen Alter gerät die Immunzell-Balance aus eosinophilen Zellen und entzündungsfördernden Makrophagen im Fettgewebe aus dem Gleichgewicht. Eine neue eosinophile Zelltherapie konnte diesen Prozess bei Mäusen rückgängig machen. Klinische Studien mit Menschen sollen bald folgen.
Bern (Schweiz). Die Leistungsfähigkeit des Immunsystems nimmt beim Menschen im hohen Alter ab. Dieser natürliche Alterungsprozess sorgt dafür, dass Senioren durch die jährliche Grippewelle aber auch durch andere Viren wie SARV-CoV-2 besonders stark betroffen werden. Neben den immunologischen Verlusten leiden ältere Personen außerdem häufig an Muskelschwäche und einer dadurch verursachten geringeren Lebensqualität.
Wissenschaftler der Universität Bern haben nun eine neue Zelltherapie vorgestellt, die die beiden Alterungsprozesse rückgängig machen kann. Laut der im wissenschaftlichen Journal Nature Metabolism publizierten Studie basiert die Therapie auf der schon lange geäußerten Theorie, laut der vor allem chronische Entzündungszustände alterstypischen Erkrankungen auslösen.
Das Team um Dr. Mario Noti und Dr. Alexander Eggel hat nun nachgewiesen, dass diese Entzündungen vor allem durch viszerales Fettgewebe, also Bauchfett, ausgelöst werden. Überdies haben die Forscher belegt, dass Eosinophile, dies sind bestimmte Immunzellen, die überwiegend im Blut aber auch im Bauchfett vorkommen, Alterungsprozesse maßgeblich beeinflussen.
Eosinophile gehören zum angeborenen Immunsystems. Sie sind dort für die Abwehr von Parasiten verantwortlich, regulieren aber auch Entzündungsprozesse und können bei Überreaktionen Atemwegserkrankungen auslösen. Mit dem steigenden Lebensalter nimmt die Menge eosinophilen Zellen im Fettgewebe ab, parallel dazu steigt die Menge der entzündungsfördernden Makrophagen. Diese Veränderung der Immunzell-Balance führt bei Senioren dazu, dass das Bauchfett zu einem chronischen Entzündungsherd wird.
In einem Tiermodell mit Mäusen gelang es Eggel und Noti die altersbedingte Degenrationen durch eine Wiederherstellung des Immunzell-Gleichgewichts im viszeralen Fettgewebe rückgängig zu machen. Laut Eggel „konnten die Wissenschaftler in experimentellen Versuchen auf eindrückliche Weise zeigen, dass im Mausmodell Transfers von Eosinophilen aus jungen Tieren in gealterte Empfänger Entzündungen nicht nur im Bauchfett, sondern im gesamten Körper unterdrücken können.“
Wie Noti erklärt, „war dabei die Beobachtung, dass die transferierten Eosinophilen selektiv den Weg ins Fettgewebe fanden erstaunlich.“ Konkret sorgte bei den alten Tieren die eosinophilen Zelltherapie dafür, dass diese in Ausdauer- und Greifkrafttests deutlich besser abschnitten. Außerdem verjüngte die Therapie das Immunsystem, was sich in einer verbesserten Impfantwort bemerkbar machte.
Laut Noti „zeigen die Resultate deutlich, dass der Alterungsprozess und die damit verbundenen degenerativen Begleiterscheinungen plastischer sind als bisher angenommen.“ Wie Eggel hinzufügt, „ist das Ziel der Forschung nun, diesen Erkenntnisgewinn für die Entwicklung geeigneter Therapieansätze zur Erhaltung von Gesundheit und Vitalität im Menschen zu nutzen.“ Klinische Studien mit menschlichen Probanden sind dazu bereits in Planung.
Nature Metabolism, doi: 10.1038/s42255-020-0228-3