Robert Klatt
Ein Nasenspray mit Stickstoffmonoxid (NO) soll Covid-19 vorbeugen. Obwohl Zweifel an der Wirksamkeit und Sicherheit bestehen, wurde das Produkt bereits zugelassen.
Vancouver (Kanada). Das antivirale Nasenspray Enovid des Pharmaunternehmens SaNOtize soll Infektion mit Covid-19 vorbeugen. In einer randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Phase-II-Studie mit 79 Teilnehmern konnte das Anti-Covid-19-Nasenspray laut einer Pressemitteilung des Unternehmens die Menge der Viren im Nasen- und Rachenraum innerhalb von 24 Stunden um mehr als 95 Prozent und innerhalb von 72 Stunden um mehr als 99 Prozent reduzieren. Nebenwirkungen soll es weder bei dieser Studie noch bei einer Studie in Kanada mit über 7.000 Probanden gegeben haben.
In der Medizin sorgt die Meldung über das Anti-Covid-19-Nasenspray hingegen für Zweifel, weil der Wirkstoff Stickstoffmonoxid (NO) eine stark gefäßerweiternde Substanz ist. Eigentlich müsste die Verwendung des Nasensprays deshalb zu einem Blutdruckabfall führen. Auf eine Anfrage von die Welt in Bezug auf die angebliche Nebenwirkungsfreiheit von Enovid reagierte der Hersteller bisher nicht. Auch Detailfragen zur Studie aus Großbritannien wurden bisher nicht beantwortet.
Ein Eintrag in der Datenbank für klinische Studien clinicaltrials.gov zeigt, dass in Kanada eine weitere Studie mit dem Wirkstoff Stickstoffmonoxid durchgeführt wurde. Dabei erhielten 143 Probanden unterschiedliche NO-freisetzende Mitteln, darunter eine Nasenspülung und eine Gurgellösung. Außerdem enthält die Datenbank Informationen zu einer weiteren geplanten Studie zur Wirksamkeit von NO-Nasenspray mit 50 Probanden in Kanada. Informationen zu der Studie mit 79 Probanden in Großbritannien, auf die sich die Pressemitteilung von SaNOtize bezieht, existieren in der Datenbank hingegen nicht.
Verschiedene Experten äußerten sich gegenüber die Welt äußerst kritisch über das vermeintliche Wundermittel, weil wissenschaftlichen Belege dafür, dass eine Reduktion der Viruslast im Nasen- oder Rachenraum, falls diese überhaupt durch das Nasenspray Enovid erreicht wird, eine Ansteckung tatsächlich verhindern kann, nicht existieren.
„Auch Spülmittel tötet im Laborversuch Viren ab – das sagt aber erst mal wenig über die tatsächliche Wirksamkeit am Menschen aus“, erklärt Professor Dr. Claus-Michael Lehr, Pharmazeutischer Technologe an der Universität des Saarlandes. Grundsätzlich hält Lehr den Forschungsansatz mit NO gegen SARS-CoV-2 vorzugehen aber für interessant.
Trotz der noch nicht bewiesenen Wirksamkeit des Anti-Covid-19-Nasensprays und der möglichen Nebenwirkungen haben Israel und Neuseeland inzwischen eine zeitlich befristete Genehmigungen für den Verkauf des Mittels erteilt. Laut einer Meldung der Nachrichtenagentur Reuters hat Chempharma Solutions, ein Partnerunternehmen von SaNOtize, inzwischen mit der Produktion in Israel begonnen. Eine Genehmigung in Deutschland ist aufgrund der pharmakologischen Wirksamkeit von NO sehr unwahrscheinlich. Auch in Israel und Neuseeland wurde Enovid nicht als Arzneimittel, sondern lediglich als Medizinprodukt zugelassen.