Coronavirus SARS-CoV-2

Antigentests – Wie präzise sind Selbstabstriche?

Robert Klatt

Professioneller Mund-Nasen-Abstrich für einen SARS-CoV-2-Schnelltest )moc.hsalpsnununjaM difuM(Foto: © 

In Deutschland zugelassene Antigentests benötigen einen Nasen-Rachen-Abstrich, der nur von Fachpersonal genommen werden darf. Eine Studie hat nun untersucht, ob auch Selbstabstriche des Nasenraums gute Ergebnisse liefern.

Berlin (Deutschland). Antigen-Schnelltests sind zwar weniger präzise als klassische PCR-Tests, können aber dafür innerhalb weniger Minuten zeigen, ob ein Mensch mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert ist und andere Personen infizieren könnte. Sie könnten deshalb prinzipiell in Schulen, Altersheimen und anderen Orten, an denen sich viele Menschen auf engem Raum treffen, dazu genutzt werden, um zu überprüfen, ob ein Mensch derzeit infektiös ist. Genutzt wird diese Möglichkeit in Deutschland bisher kaum.

Dies liegt daran, dass die in der Bundesrepublik verwendeten Antigen-Schnelltests einen nur schwer zu entnehmenden Nasen-Rachen-Abstrich benötigen. Tests können somit bisher nur durch geschultes Personal durchgeführt werden. Selbsttests, die mit einem Nasenraum funktionieren sollen, sind in Deutschland bisher nicht zugelassen.

Nasen-Rachen-Abstriche sind unangenehm und zeitintensiv

Frank Mockenhaupt von der Charité Universitätsmedizin in Berlin: „Ein solcher professioneller Nasen-Rachen-Abstrich ist aus zwei Gründen eine Hürde für den breiten Einsatz von Antigen-Schnelltests. Erstens ist ein tiefer Nasenabstrich für viele Menschen unangenehm, sie werden eine regelmäßige Testung deshalb vielleicht eher meiden. Zweitens bindet der Abstrich medizinisches Personal, ist organisatorisch aufwendig und benötigt eine Schutzausrüstung“

Selbstabstriche und Nasen-Rachen-Abstriche verglichen

Wissenschaftler der Charité Universitätsmedizin in Berlin haben deshalb untersucht, ob Selbstabstriche und Nasen-Rachen-Abstriche zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Experimente (medRxiv) legen nahe, dass auch Speichel sich als Probenmaterial eignet. Außerdem zeigte kürzlich eine Studie (Cell), dass SARS-CoV-2 die Nasenschleimhaut und nicht den Rachen zur Infektion des Menschen nutzt. Das Team um Andreas Lindner vermutete deshalb, dass auch Nasenabstriche zum Nachweis des Virus genutzt werden können.

Um ihre These zu verifizieren, führten die Wissenschaftler laut der im European Respiratory Journal publizierten Studie ein Experiment durch, bei dem 289 Probanden mit verdächtigen Symptomen einen Selbstabstrich des vorderen Nasenraums durchführten. Zuvor wurde ihnen das Verfahren erklärt. Anschließend führte eine Pflegekraft zwei Nasen-Rachen-Abstriche durch, die per Antigen-Schnelltest und PCR-Test untersucht wurden.

Nasen-Rachen-Abstriche und Selbstabstriche ähnlich sensitiv

Die Kontrolluntersuchung per PCR-Test konnte bei 39 Probanden eine SARS-CoV-2-Infektion belegen. Beim Antigen-Schnelltest mit professionellem Nasen-Rachen-Abstrich wurden 29 Infektionen erkannt, beim Selbstabstrich der vorderen Nase 29 Infektionen. Die Sensitivität der tiefen Nasen-Rachen-Abstriche (79,5 %) und der Selbstabstriche (74,4 %) liegt somit auf einem vergleichbaren Niveau.

Die unterschiedlichen Ergebnisse kamen teilweise dadurch zustande, dass Probanden beim Nasenabstrich nicht stark genug gedrückt haben oder dass die Infektion schon zu lange zurücklag. Berücksichtigt man nur die Probanden mit einer hohen Virenlast, lag die Sensitivität sowohl beim Selbstabstrich als auch beim tiefen Nasen-Rachen-Abstrich bei knapp 96 Prozent.

Selbstabstriche ohne vorherige Erklärung sinnvoll?

Co-Autoren Caroline Denkinger vom Universitätsklinikum Heidelberg konstatiert, dass „die Studie zeigt, dass die angeleiteten Selbstabstriche für den untersuchten Antigentest nicht schlechter als professionelle Abstriche aus dem Nasen-Rachen-Raum sind.“ In Zukunft könnten Selbsttests laut den Wissenschaftlern deshalb dazu beitragen, die Testquote deutlich zu erhöhen.

Offiziell empfehlen wollen die Forscher das Testverfahren bisher trotzdem nicht, weil laut Mockenhaupt „Selbstabstriche und Selbsttestungen nicht unkritisch sind.“ Wie der Wissenschaftler erklärt, „kann eine fehlerhafte Durchführung oder ein falsches Ablesen eine falsche Sicherheit nach sich ziehen.“

Weitere Studien sollen deshalb untersuchen, ob von Laien durchgeführte Selbstabstriche auch ohne vorherige Anleitung durch Fachpersonal gute Ergebnisse erzielen.

medRxiv, doi: 10.1101/2020.05.30.20117291

Cell, doi: 10.1016/j.cell.2020.05.042

European Respiratory Journal, doi: doi: 10.1183/13993003.03961-2020

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