Robert Klatt
Langjähriger Cannabiskonsums soll Antriebs- und Freudlosigkeit auslösen. Eine Studie hat nun untersucht, ob diese Kiffer-Klischees tatsächlich zutreffen.
Cambridge (England). Nach Alkohol und Nikotin ist Cannabis das global am häufigsten konsumierte Rauschmittel. Inzwischen haben viele Länder die Droge legalisiert oder zumindest ihren Konsum entkriminalisiert. Auch in Deutschland wird die Cannabislegalisierung nicht zuletzt aufgrund der erwarteten Steuereinnahmen seit Jahren diskutiert. Für eine Legalisierung spricht laut dem im Fachmagazin The Lancet publizierten Rankings der gefährlichsten Drogen auch die im Verhältnis zu Alkohol und Nikotin geringe Gefährlichkeit.
Laut des in der Wissenschaft nicht unumstrittenen Rankings des britischen Pharmakologen David Nutt löst Cannabis nicht so schnell eine Sucht aus wie Alkohol und Nikotin. Zudem schneidet sie bei den Opferzahlen deutlich besser ab. Laut einer Studie des Universitätsklinikums Ulm kommt es zwar vermehrt zu Krankenhausaufenthalte wegen Cannabis, Todesfälle durch den Konsum der Droge sind aber nicht bekannt. Als unbestritten gilt hingegen in der Wissenschaft, dass die kognitiven Fähigkeiten durch den Langzeitkonsum von Cannabis geschädigt werden.
In den Medien gelten zudem Anhedonie (Freudlosigkeit) und Apathie (Antriebslosigkeit) als Auswirkungen eines langjährigen Cannabiskonsums. Ob diese Vorteile tatsächlich zutreffen, hat nun ein Team um Martine Skumlien von der Universität Cambridge untersucht.
„Wir sind so sehr daran gewöhnt, 'faule Kiffer' auf unseren Bildschirmen zu sehen, dass wir nicht mehr darüber nachdenken, ob dies eine angemessene Darstellung ist.“
An der im International Journal of Neuropsychopharmacology publizierten Studie nahmen 274 jugendliche und erwachsene Cannabiskonsumenten teil. Die Probanden gaben an, in den drei Monaten vor dem Beginn der Studie im Mittel viermal und mindestens einmal pro Woche Cannabis konsumiert zu haben. Die Kontrollgruppe bestand Nichtkonsumenten mit demselben Alter und Geschlecht.
Während der Studie durften die Probanden kein Cannabis konsumieren. Mithilfe von Fragebögen erfassten die Forscher den empfundenen Grad der Apathie und Anhedonie, also etwa, ob die Probanden wahrscheinlich eine Aufgabe beenden oder ob diese sich gerne mit Freunden oder ihre Familie treffen würden.
Laut den Studiendaten gibt es bei der Apathie zwischen Cannabiskonsumenten und Nichtkonsumenten keinen Unterschied. Bei der Anhedonie schnitten Kiffer hingegen etwas schlechter ab. Innerhalb der kiffenden Probandengruppe stellten die Forscher fest, dass die Häufigkeit des Cannabiskonsums die Apathie oder Anhedonie nicht beeinflusst. Laut Skumlien widerlegen die Ergebnisse somit das Klischee vom faulen, antriebslosen Kiffer.
„Wir müssen ehrlich und offen darüber sprechen, was die schädlichen Folgen des Drogenkonsums sind und was nicht.“
Weil die Probanden während der Studie nüchtern waren, ist es laut den Autoren jedoch nicht auszuschließen, dass ihre Motivation sinkt, wenn sie sich im Cannabisrausch befinden. Es soll deshalb eine Folgestudie stattfinden, an der auch akut bekiffte Probanden teilnehmen.
The Lancet, doi: 10.1016/S0140-6736(10)61462-6
International Journal of Neuropsychopharmacology, doi: 10.1093/ijnp/pyac056