Dauerstress und Co.

Armut schadet Babys bereits vor der Geburt

Robert Klatt

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Es ist bekannt, dass Armut Babys bereits vor der Geburt schadet. In Österreich untersuchen Forscher aktuell die Auswirkungen von materieller Deprivation im Detail und eruieren, wie man werdenden Müttern helfen kann. Dabei wird nicht zwischen Geburten von Trans-Männern und Cis-Frauen differenziert.

Linz (Österreich). Unterschiedliche Studien haben bereits eine Korrelation zwischen einer prekären Lebenssituation und geburtshilflichen Risiken, etwa Fehl- und Frühgeburten und einem zu geringen Geburtsgewicht, das laut der Ruhr-Universität Bochum (RUB) mit einer schlechteren neurologischen Entwicklung des Babys im späteren Leben zusammenhängt, belegt. Eine Studie des Teachers College zeigt zudem, dass Kindergeld die Hirnentwicklung von Babys fördert.

Forscher der FH Gesundheitsberufe OÖ erforschen deshalb, wie sich Armut auf Schwangerschaften und die Gesundheit von Neugeborenen in Österreich auswirkt. Die quantitative Studie basiert auf einem Onlinefragebogen, der den sozioökonomische Status und demografische Daten von schwangeren Frauen umfasst. Zudem werden Daten zur Ernährung, zur gesundheitlichen Versorgung der Mutter und des Kindes und zu eventuellen Komplikationen während der Geburt erfasst. Dabei wird nicht zwischen Geburten von Trans-Männern und Cis-Frauen differenziert.

Negative Folgen von Stress und Co.

Barbara Schildberger, Leiterin des Studiengangs Hebamme und Studienleiterin, erklärt, dass die negativen Auswirkungen von Stress und anderen Faktoren bereits bekannt sind.

„Das Gesundheitsverhalten der Mutter ist von großer Bedeutung für das Ungeborene, vom Essverhalten angefangen über Alkohol- und Nikotinkonsum und andere Suchtmittel. Wir wissen aber auch, dass sich Stress, vor allem der kontinuierliche Dauerstress, auf die Kinder und in weiterer Folge langfristig auf den Gesundheitszustand des Kindes beziehungsweise des späteren Erwachsenen auswirkt.“

Definition von Armut in Österreich

Als Basis der Studie haben die Forscher um Schildberger Armut definiert. Laut ihnen ist das Einkommen dazu allein nicht ausreichend.

„Geld alleine ist mittlerweile ein schwieriger Indikator, um zu sagen, ich bin armutsgefährdet oder nicht. Wir haben deshalb eigene Indikatoren in Anlehnung an den EU-SILC-Erhebungsbogen entwickelt.“

In den European Union Statistics on Income and Living Conditions (EU-SILC) ist Armut bzw. die materielle Deprivation als „unfreiwillige Unfähigkeit“ bestimmte Ausgaben leisten zu können definiert. Diese Ausgaben können sich auf verschiedene Bereiche beziehen. Es könnte etwa die Finanzierung regelmäßiger Mahlzeiten mit Fleisch, Geflügel oder Fisch, die alle zwei Tage anfallen, betreffen.

Ebenso könnten sie auf die Kosten für eine angemessene Raumheizung abzielen. Ein weiteres Beispiel wäre die Finanzierung eines einwöchigen Jahresurlaubs. Es gibt auch Fälle, in denen das Bestreiten unvorhergesehener Kosten schwierig oder gar unmöglich wird, genauso wie die Rückzahlung bestehender Schulden. Diese Ausgaben können, je nach individueller finanzieller Situation, eine Herausforderung darstellen.

Sozialgeburt als Hilfe für unversicherte Frauen

In der Ambulanz AmberMed, einer Einrichtung der Diakonie, werden Menschen ohne Krankenversicherung versorgt. In Kooperation mit dem Wiener Gesundheitsverbund (Wigev) bietet die Ambulanz kostenreduzierte Entbindungen, sogenannte Sozialgeburten, an. Diese wurden laut Einrichtungsleiterin Mariella Jordanova-Hudetz im letzten Jahr von 150 Frauen beansprucht.

„Wir haben bei den Sozialgeburten strenge Kriterien und sind sehr dahinter, dass Frauen die regelmäßigen Untersuchungen machen, die im Mutter-Kind-Pass vorgeschrieben sind, weil es in der Schwangerschaft Komplikationen wie zum Beispiel hoher Blutdruck oder Blutzucker geben kann, die wir nur dann entdecken können.“

Die Lebensumstände dieser Frauen zeichnen sich durch instabile Wohnsituationen aus, die aufgrund der beengten Verhältnisse die Privatsphäre und Erholungsphasen beeinträchtigen. Gesundheitsbewusste Ernährung scheint für viele von ihnen in den Hintergrund zu treten, da sie tendenziell das zu sich nehmen, was finanziell erreichbar ist. Überdies stellt das Rauchen während der Schwangerschaft ein relevantes Problem dar.

„Wir versuchen, mit unserer Aufklärungsarbeit und den Hebammengesprächen zu einem gesunden Lebensstil der Mütter beizutragen, sofern dieser möglich ist, damit sie auch gesunde Kinder zur Welt bringen.“

Ökonomische Situation in Österreich

Laut Schildberger haben die Forscher den Onlinefragebogen lanciert, weil die ökonomische Situation in Österreich sich seit Anfang des Jahres für viele Personen deutlich verschlechtert hat.

„An Aktualität hat das Thema gewonnen, als wir in der Pandemie erkannt haben, dass sich die Bedingungen für viele Menschen, denen es ohnehin nicht gut ging, verschärft haben. Als wir zu Beginn des Jahres der starken Inflation entgegengesehen haben, wollten wir schnell starten, denn jetzt brennt das Thema wirklich.“

Bis jetzt haben über 500 Frauen an der Untersuchung mitgewirkt. Die Suche nach weiteren Probandinnen wird in den folgenden Wochen fortgesetzt, sowohl in Online-Diskussionsforen als auch durch direkte Ansprache bei Praxisärzten. Man plant, die Auswertung der Studienergebnisse bis zum Jahresende abzuschließen, wobei eine Veröffentlichung derer voraussichtlich nicht vor Herbst 2024 erwartet wird.

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