Robert Klatt
Inspiratorisches Muskeltraining kann ohne Medikamente und Sport in wenigen Wochen den Blutdruck deutlich senken.
Boulder (U.S.A.). In Deutschland leiden zwischen 20 und 30 Millionen Menschen unter einem zu hohen Blutdruck. Der Grund dafür ist meistens die individuelle Lebensweise. Die größten Risikofaktoren sind eine falsche Ernährung, Stress, Übergewicht und Bewegungsmangel. Besteht ein Blutdruck von über 140/90 Millimeter Quecksilber (mmHg) dauerhaft, kann es zu Schäden an den Gefäßen, dem Herzen, dem Gehirn und weiteren Organen kommen. Dies kann zu einem Herzinfarkt, Schlaganfall oder Nierenschäden führen.
Gesenkt werden kann der Blutdruck sowohl durch Medikamente als auch regelmäßigen Sport. Die Medizin empfiehlt Betroffenen pro Woche 150 Minuten Joggen oder Ähnliches pro Woche. Dies wird aber von den meisten Patienten mit Bluthochdruck nicht eingehalten.
Ein Team um Daniel Craighead von der University of Colorado hat nun eine alternative Möglichkeit entdeckt, mit der sich Bluthochdruck ohne Medikamente und Sport behandeln lässt. Die Grundlage dafür bildet ein spezielles Atemtraining, das eigentlich zur Rehabilitation nach schweren Atemwegserkrankungen und zur Behandlung von chronischen Lungenleiden dient. Die Patienten atmen dabei durch ein Gerät, das beim Einatmen einen hohen Widerstand aufbaut, der vergleichbar mit einer sehr dicken FFP2-Maske ist.
Laut ihrer Publikation im Journal of American Heart Association führt das sogenannte inspiratorische Muskeltraining (IMST) beim Atmen durch das Gerät langfristig zu einer Stärkung der Atemmuskulatur und des Zwerchfells. Parallel dazu werden auch das autonome Nervensystem, die Lunge und das Herz trainieren. Die Wissenschaftler vermuteten deshalb, dass das Atemtraining auch gegen hohen Blutdruck helfen könnte.
Zur Überprüfung ihrer These führten die Forscher eine Studie mit 36 Probanden mit Bluthochdruck zwischen 50 und 79 Jahren durch. Die Hälfte der Probanden erhielt ein Atemgerät für zu Hause, das sie täglich für fünf Minuten zum Training nutzten. „Das IMST kann damit ganz bequem selbst vor dem Fernseher erledigt werden“, erklärt Craighead.
Der Widerstand des Geräts war so eingestellt, dass die Probanden zwischen 65 und 75 Prozent ihrer maximalen Sogkraft nutzen mussten, um atmen zu können. Die Kontrollgruppe erhielt als Placebo ein Gerät, bei dem der Einatemwiderstand auf nur 15 Prozent eingestellt war. Zu Beginn und am Ende der Studie wurde der Blutdruck des Probanden gemessen und die Elastizität und Weitungsfähigkeit der Blutgefäße anhand verschiedener Tests untersucht.
Im Mittel sank der Blutdruck der IMST-Gruppe innerhalb des Studienzeitraums von durchschnittlich 135 mmHg auf nur noch 126 mmHg. Bei der Kontrollgruppe kam es zu keiner signifikanten Veränderung. Auch die Dehnungsfähigkeit der Arterien verbesserte sich in der IMST-Gruppe um Mittel um 45 Prozent
„Diese Blutdrucksenkung übertrifft teilweise sogar die durch aeroben Sport und andere Lebensstil-Strategien erreichbaren Effekte. Das IMST ist aber nicht nur zeiteffektiver als traditionelle Sport-Programme, die Wirkung könnte auch länger anhalten“, erklärt Craighead. Dies schlussfolgert der Studienleiter daraus, dass der Blutdruck noch sechs Wochen nach dem Ende des Atemtrainings auf dem niedrigeren Wert verblieb.
„Dies ist die erste Studie, die die blutdrucksenkende Wirkung von IMST-Atemtraining bei ansonsten gesunden Bluthochdruck-Patienten im mittleren Alter belegt. Damit haben wir eine neue Therapieform identifiziert, die den Blutdruck senkt, ohne dass Patienten Medikamente einnehmen müssen – und mit einer höheren Durchhaltequote als bei einem aeroben Sportprogramm“, erklärt Doug Seals.
Noch ist allerdings unklar, wie das Atemtraining genau den Blutdruck beeinflusst. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass der erhöhte Atemwiderstand im Körper der Probanden Signale auslöste, die die Blutgefäße zur vermehrten Bildung von Stickstoffmonoxid bringen. Dies würde die Dehnbarkeit der Adern erhöhen und damit den Blutdruck reduzieren. Außerdem scheint ISMT die Bildung schädlicher Radikale zu reduzieren und damit den oxidativen Stress der Blutgefäße zu verringern.
Folgestudien sollen nun die Wirkmechanismen genauer untersuchen. Dazu werden Probanden entweder für zwölf Wochen das Atemtraining oder ein klassisches Sportprogramm absolvieren. Außerdem entwickeln die Forscher eine Smartphone-App, die Menschen mit Bluthockdruck dabei helfen soll, ISMT zu Hause durchzuführen. Mit bereits kommerziell erhältlichen Geräten könnten Betroffenen so die Atemtherapie anwenden.
„Es ist einfach durchzuführen, dauert nicht lange und wir denken, dass es eine Menge Potenzial hat, um Menschen zu helfen“, konstatiert Craighead. Bevor Patienten mit der Atemtherapie beginnen, sollten diese laut den Wissenschaftlern jedoch ihren Arzt konsultieren.
Journal of American Heart Association, doi: 10.1161/JAHA.121.020980