Robert Klatt
Eine kausale Therapie des Reizdarmsyndroms und dessen Symptomen wie Bauchschmerzen, Blähungen und Durchfall existiert nicht. Bei vielen Patienten können Mikrobiotika und eine Ernährungsumstellung auf die FODMAP-Diät aber für Abhilfe sorgen.
Berlin (Deutschland). In Deutschland leiden laut Daten der Apotheken Umschau zwischen 10 und 15 Prozent der Gesamtbevölkerung unter chronischen Beschwerden wie zum Beispiel Bauchschmerzen, Durchfall und Blähungen, die das Reizdarmsyndrom als Ursache haben. Frauen trifft die auch als „Irritable Bowel Syndrome“ (IBS) bekannte Krankheit etwa doppelt so häufig wie Männer. Die Bezeichnung „irritables Kolon“ wird hingegen nicht mehr verwendet, weil die Medizin davon ausgeht, dass das Reizdarmsyndrom nicht ausschließlich im Dickdarm (Kolon) auftritt.
Laut einer Publikation der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) liegt das Reizdarmsyndrom vor, wenn folgenden Punkte zutreffen:
Welche Ursachen das Reizdarmsyndrom auslösen können, ist bis heute nicht vollumfänglich geklärt. Eine Studie der Universität von Southampton konnte bereits 2007 belegen, das überängstliche und rastlose Menschen häufiger unter IBS leiden. Zu den bekannten Faktoren, die das Symptombild verursachen, gehören auch eine gestörte Barrierefunktion der Mukosa, eine intestinale Hypersensitivität sowie immunologische Faktoren und ein gestörtes intestinales Mikrobiom.
Viele Betroffene leiden außerdem unter Nahrungsmittelunverträglichkeiten, die in Deutschland etwa 25 Prozent der Allgemeinbevölkerung betreffen. Die Medizin schlussfolgert daraus, dass eine Umstellung der Ernährung in vielen Fällen zur Behandlung des Reizdarmsyndroms geeignet ist.
Wie die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen (DGVS) in ihren S3-Leitlinien zusammenfasst, treffen beim Reizdarm dabei folgende Evidenzen zu:
Neben Mikrobiotika wie Innovall RDS, die die Darmflora aufbauen, hat sich besonders die ursprünglich die CED-Patienten entwickelte FODMAP-Diät bei vielen Reizdarm-Patienten als wirksam erwiesen.
Die Abkürzung FODMAP setzt sich aus „Fermentable Oligosaccharides, Disaccharides, Monosaccharides and Polyols“ zusammen. Es handelt sich dabei um vergärbare Mehr- und Doppelzucker (z. B. Lactose und Stärke), Einfachzucker (z. B. Fruktose) und Zuckeralkohole (Süßstoffe), die den osmotischen Einstrom von Wasser in den Darm verstärken und so Diarrhö auslösen können. Im Dickdarm sorgen diese Kohlenhydratverbindungen beim bakteriellen Abbau außerdem für einen verstärkten Meteorismus, der Blähungen auslöst. Ein weiterer Wirkmechanismus der FODMAP-Diät ist die Reduktion glutenhaltiger Lebensmittel und die dadurch vermiedene Nahrungsmittelunverträglichkeiten, die bei Weizenprodukten bei vielen Personen vorliegt.
Wie in der Tabelle deutlich wird, schränkt eine sehr eng gelebte FODMAP-Diät die erlaubten Lebensmittel stark ein. In der Regel wird deshalb nach etwa einem Monat bei Patienten mit Reizdarmsyndrom wieder damit beginnen einzelne Lebensmittel in den Speiseplan einzuführen, um die Verträglichkeit so zu untersuchen. Nach einigen Monaten kann so ein individueller Speiseplan erstellt werden, dessen Auswirkungen auf den Alltag überschaubar sind.
Neben den positiven Erfahrungen von Reizdarm-Patienten, die von einer deutlichen Abschwächung ihrer Symptome durch die FODMAP-Diät in Verbindung mit Mikrobiotika berichten, hat sich auch die Wissenschaft intensiv mit dieser Ernährungsform beschäftigt.
Eine im Fachmagazin Gastroenterology publizierte randomisierte kontrollierte Studie (RCT) mit 30 Probanden hat belegt, dass eine Ernährung mit einem geringen FODMAP-Anteil im Vergleich zu einer durchschnittlichen australischem Ernährung die Hauptsymptome des Reizdarmsyndroms (Flatulenz, Völlegefühl, Schmerzen) deutlich reduzieren kann.
Ähnliche Ergebnisse liefert auch eine im Journal of Gastroenterology and Hepatology veröffentlichte Studie mit 15 IBS-Patienten (ROME III Kriterien), die eine Diät mit einem hohen Anteil fermentierbare Kohlenhydrate (50 g pro Tag) oder einem geringen Anteil (9 g pro Tag) erhielten. Es zeigte sich dabei, dass an Tagen mit hohem FODMAP-Anteil die gastrointestinalen Symptome verstärkt auftraten und dass die Probanden sich weniger vital fühlten.
Wissenschaftler der British Dietetic Association (BDA) haben darüber hinaus im Journal of Human Nutrition and Dietetics allgemeine Empfehlungen für Menschen mit Reizdarmsyndrom veröffentlicht.
Zusammengefasst wird deutlich, dass eine Ernährungsumstellung auch ohne kausale Therapie bei vielen Reizdarm-Patienten Abhilfe schaffen kann. Die Studienautoren weisen allerdings darauf hin, dass bei einer Ernährungsumstellung, die im Falle einer Eliminationsdiät vor allem in den ersten Wochen deutlich von einer üblichen Vollkost abweicht, darauf geachtet werden muss, dass keine Mangelernährung entsteht. Wie eine Studie aus dem Fachmagazin Gastroenterology belegt, ist ein Mangel an Makro- und Mikronährstoffen keine Seltenheit, wenn eine FODMAP-Diät nicht von Ernährungsexperten betreut wird. Eine sehr restriktive FODMAP-Diät sollte außerdem nur wenige Wochen eingehalten werden.
Gastroenterology, doi: 10.1053/j.gastro.2013.09.046
Journal of Gastroenterology and Hepatology, doi: 10.1111/j.1440-1746.2010.06370.x.
Journal of Human Nutrition and Dietetics, doi: 10.1111/j.1365-277X.2012.01242.x
Gastroenterology, doi: 10.1053/j.gastro.2015.07.054.