Robert Klatt
Tierversuche mit Ratten haben belegt, dass eine Impfung mit Bakterien durch Stress ausgelöste Entzündungsreaktionen im Gehirn verhindern kann. Klinische Studien sollen nun zeigen, ob die Wirkung auch auf den Menschen übertragbar ist. In Zukunft könnte eine solche Impfung Risikogruppen wie Soldaten schützen.
Boulder (U.S.A.). Studien haben belegt, dass bereits Grundschulkinder aufgrund des Leistungsdrucks häufig unter Stress leiden. Auch unter Berufstätigen sorgt Stress für Gesundheitsprobleme und vervielfacht die Krankmeldungen auf der Arbeit. Neben psychischen Erkrankungen wie Depressionen, posttraumatische Belastungsstörungen und Angsterkrankungen begünstigt Stress auch die Entstehung physischer Krankheiten wie Übergewicht und die Schwächung des Immunsystems.
Dies liegt vor allem daran, dass Stress sich im Gehirn auf die Neurotransmitter auswirkt, die zum Beispiel die Ausschüttung des Glückshormon Dopamin kontrollieren. Matthew Frank, Autor einer im Fachmagazin Brain, Behavior, and Immunity publizierten Studie von der University of Colorado at Boulder erklärt, dass „Studien belegt haben, dass solche entzündlichen Immunreaktionen bei Menschen beispielsweise zu depressionsähnlichen Symptomen führen können.“
Die Wissenschaftler haben aus diesem Grund untersucht, ob neben bekannten Maßnahmen gegen Stress wie Spaziergängen in der Natur oder Koffein, das gegen chronischen Stress hilft, auch eine Impfung gegen die negativen Auswirkungen möglich ist. Die Forschungsarbeit des Teams um Frank basiert auf einer Studie, die herausgefunden hat, dass bei Mäusen ein Medikament aus abgetöteten Bakterien der Art Mycobacterium vaccae dazu führt, dass diese weniger Anzeichen von Stress zeigen, wenn sie Kontakt mit einem aggressiven Männchen haben. Um herauszufinden, welcher Prozess im Körper der Tiere dafür verantwortlich ist, haben die Forscher dazu Ratten mit diesem Bakterium dreimal im Abstand von jeweils einer Woche geimpft.
Anschließend untersuchten die Wissenschaftler die Gehirne der Tiere. Dabei zeigte sich, dass acht Tage nach der letzten Impfung das antientzündlichen Protein Interleukin-4 in deutlich höherer Konzentration im Hippocampus auftrat. Der Hippocampus kontrolliert unter anderem Emotionen wie die innere Unruhe und Angst und spielt bei der Entstehung von Stress eine entscheidende Rolle.
In einem stressauslösenden Umfeld zeigten überdies die Gehirne der zuvor geimpften Tiere im Vergleich zur Kontrollgruppe eine deutlich reduzierte Ausschüttung des Stressbotenstoffs HMGB1, der Entzündungen auslöst. Auch die Produktion der CD200R1-Rezeptoren, die essenziell für die Immunzellen des Gehirns sind, nahm bei den geimpften Ratten zu. Insgesamt sorgten diese Folgen der Impfung dafür, dass die Ratten deutlich unempfindlicher auf Stress reagieren.
Frank konstatiert, dass „die Wissenschaftler gezeigt haben, dass das Mycobacterium vaccae bei Nagern die Hirnumgebung verändert und diese hin zu einem antientzündlichen, stressresistenten Zustand verschiebt.“ Sollte dieselbe Wirkung auch beim Menschen auftreten, hätte dies laut Frank „weitreichende Bedeutung für die Behandlung vieler neuroinflammatorischer Erkrankungen.“
In Zukunft könnte Risikogruppen wie Soldaten, die häufig bei Kampfhandlung unter enormen Stress stehen, durch den Impfstoff immunisiert werden und so eine Resistenz gegenüber den gesundheitlichen Folgen von Stress aufbauen, um posttraumatische Belastungsstörungen und andere Folgeerkrankungen zu vermeiden. Weitere Studien sollen nun die positive Wirkung des Mycobacteriums bestätigen, bevor klinische Studien mit menschlichen Probanden erfolgen können.
Brain, Behavior, and Immunity, doi: 10.1016/j.bbi.2018.05.020