Robert Klatt
Eine Depression wirkt sich auf die Plastizität des Gehirns aus. Ein einfaches Bewegungsprogramm kann diesen Effekt verringern und damit die auch die Symptome der psychischen Erkrankung lindern.
Bochum (Deutschland). In Deutschland leiden etwa zehn Prozent der Bevölkerung während ihres Lebens mindestens unter einer Depression. Die Ursachen für diese psychische Erkrankung sind in den meisten Fällen komplexe Wechselwirkungen zwischen psychologischen, genetischen und äußeren Faktoren. Dies sind neben Stress und einer permanenten Überlastung oft auch die Jahreszeit und eine soziale Isolation. Die Lockdowns während der Covid-19-Pandemie sorgten laut einer Studie der Stiftung Deutsche Depressionshilfe deshalb für einen Teufelskreis bei bereits depressiven Personen sowie Personen, die kurz vor einer Depression stehen.
Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum (RUB) um Wanja Brüchle haben deshalb nun erforscht, ob gezielte Bewegung eine vorhandene Depression lindern kann und ob mehr Aktivität sogar einer Depression vorbeugen kann. Untersucht wurde dies, weil die meisten Menschen mit Depressionen neben ihrer zurückgezogenen Lebensweise auch dadurch auffallen, dass sie körperlich sehr inaktiv werden. Dies löst eine Verringerung der Dichte der Synapsen im Gehirn und dessen Neuroplastizität aus. Das Gehirn kann sich also weniger gut an neue Erfahrungen anzupassen.
Laut der im Fachmagazin Frontiers in Psychiatry publizierten Studie untersuchte das Team zu Beginn den neurologischen und psychischen Zustand von 41 Depressionspatienten der Klinik. Anschließend wurden die Probanden in zwei Gruppen unterteilt, die beide eine psychologische Therapie durchliefen. Eine Gruppe absolvierte zusätzlich ein dreiwöchiges Bewegungsprogramm, das neben Aufwärmübungen hauptsächlich aus Bewegungsspielen bestand, die in einer Gruppe oder mit einem Partner absolviert wurden.
„So wurden gezielt auch Motivation und soziales Miteinander gefördert und Ängste vor Herausforderungen sowie negative Erfahrungen mit körperlicher Aktivität – Stichwort Schulsport – abgebaut“, erklärt Karin Rosenkranz.
Bereits nach drei Wochen beobachteten die Forscher signifikanter Unterschiede zwischen den Gruppen. Bei den Teilnehmern des Bewegungsprogramms waren die Symptome der Depression laut standardisierten Tests deutlich stärker gelindert als bei den Probanden, die nur psychologisch betreut wurden. Außerdem berichteten die Probanden der Bewegungsgruppe von subjektiv geringerem Pessimismus, weniger starken Ängsten und einem höheren Antrieb.
Effekte des Bewegungsprogramms konnten die Wissenschaftler auch im Gehirn erkennen, dessen Plastizität im Motorcortex signifikant erhöht war. Es handelt sich dabei um die Region, die für Körperbewegungen zuständig ist. In weiteren eng mit diesem Areal verknüpften Netzwerken traten ebenfalls Veränderungen auf. Die bei einer Depressiven verringerte Veränderungsbereitschaft des Gehirns geht durch Bewegung also wieder zurück.
„Das zeigt, dass es einen Effekt von körperlicher Aktivität auf Symptome und Veränderungsbereitschaft des Gehirns gibt. Es ist bekannt, dass körperliche Aktivität dem Gehirn gut tut, da sie zum Beispiel die Neubildung von Verbindungen von Nervenzellen fördert. Dies könnte durchaus auch hier eine Rolle spielen“, konstatiert Rosenkranz.
„Je mehr die neuronale Veränderungsbereitschaft anstieg, desto deutlicher rückläufig waren die klinischen Symptome. Die Ergebnisse zeigen, wie wichtig vermeintlich einfache Dinge wie körperliche Aktivität in der Behandlung und Vorbeugung von Erkrankungen wie Depressionen sind“, erklärt die Wissenschaftlerin. Es ist demnach sinnvoll mehr Bewegung in die Therapie bei depressiven Menschen zu integrieren.
Frontiers in Psychiatry, doi: 10.3389/fpsyt.2021.660642