Robert Klatt
Protein-Biomarker im Blut ermöglichen es, eine entstehende Demenz bereits 15 Jahre vor der klinischen Diagnose zu erkennen. Die Behandlung kann dadurch schon vor den ersten Symptomen begonnen werden, um die Lebensqualität der Patienten zu erhalten.
Shanghai (China). Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) leiden aktuell etwa 55 Millionen Menschen an Demenz. 2030 sollen es laut einer Prognose 78 Millionen Menschen sein. Eine Heilung der Krankheit ist bisher nicht möglich. Die Symptome können aber gelindert werden, um die Lebensqualität der Betroffenen zu erhöhen, wenn die Behandlung früh genug startet. Ein Großteil der Demenzerkrankungen wird jedoch erst erkannt, wenn es bereits zu den ersten Symptomen gekommen ist.
Die Wissenschaft sucht deshalb nach Möglichkeiten für die Früherkennung der neurodegenerativen Krankheit. Forscher der Universität Cambridge haben etwa kürzlich entdeckt, dass eine entstehende Demenz anhand von Gesundheitsdaten und Tests zur kognitiven Leistungsfähigkeit bereits neun Jahre vor den ersten Symptomen erkannt werden kann.
Laut einer Publikation im Fachmagazin Nature Aging haben Forscher der Fudan University nun einen Bluttest entwickelt, der eine entstehende Demenz bereits 15 Jahre vor der klinischen Diagnose prognostizieren kann. Sie haben dazu Blutproben von über 50.000 gesunden Erwachsenen untersucht, die 2006 und 2010 entnommen wurden. In den Folgejahren wurde bei 1.417 Probanden Demenz diagnostiziert.
Die zuvor entnommenen Blutproben der Demenzkranken enthielten auffällige Protein-Biomarker. Bei ihnen waren die Proteine GFAP, NEFL, GDF15 und LTBP2 deutlich erhöht. Dies zeigt laut den Forschern, dass die Proteine Zeichen für eine spätere Demenz sind.
Die starke Produktion des Proteins GFAP wird durch Zellen im Gehirn, den sogenannten Astrozyten, bei Entzündungen ausgelöst. Menschen mit hohen GFAP-Werten haben ein doppelt so hohes Demenzrisiko wie Menschen mit geringen GFAP-Werten. Die GDF15-Werte nehmen durch Blutgefäßverletzung im Gehirn zu und die NEFL-Werte durch Schäden an den Nervenfasern.
In Kombination mit weiteren Risikofaktoren wie Alter, Geschlecht und Bildung ermöglichen die Biomarker eine Demenzprognose 15 Jahre vor der klinischen Diagnose mit einer Genauigkeit von 90 Prozent. Die Forscher hoffen, dass der neue Bluttest die Diagnose von Demenz verbessern wird, damit mehr Menschen eine präventive Behandlung durchlaufen können. In Zukunft möchten sie zudem Medikamente entwickeln, die auf die Proteine einwirken.
Der Bluttest kostet aktuell noch mehrere hundert Dollar. In Kooperation mit Pharmaunternehmen möchten die Wissenschaftler den Bluttest weiterentwickeln und die Kosten reduzieren. Anschließend soll er behördlich geprüft werden und in den Handeln kommen.
Nature Aging, doi: 10.1038/s43587-023-00565-0